Chinesische Kunst

Heute ist ein Ausflug angesetzt. PatrickM und Nils sind pünktlich beim Treffpunkt, als einzige. Das soll unbedingt erwähnt werden, sagen sie, nachdem ich sie gestern Nachmittag angeraunzt habe, weil sie von der kurzen Mittagspause nicht hochgekommen sind. Wir wissen nicht genau wohin es geht. Suwen meint, in ein historisches Dorf, weiß auch nichts genaues. Wir lassen uns überraschen. Wir besteigen den Bus, einen modernen Reisebus. Wir haben einen neuen Reiseführer für den Tag, einen jungen Chinesen, der uns in Englisch etwas über die Provinz Hunan und unser Reiseziel erzählt. Hunan hat etwas 40 Mio. Einwohner und ist von der Fläche fast so groß wie Deutschland. Und der chinesische Führer Mao stammt aus Hunan. Wir fahren in eine bekannt historische Stadt. Die Stadt soll um das Jahr 350 n.Chr. erstmals urkundlich erwähnt worden sein. Die Fahrt dauert rund 90 Minuten, auf dem Hinweg wird eine DVD mit den landschaftlichen Schönheiten Hunans eingelegt und auf dem Fernseher abgespielt. Hunan ist eine Agrarprovinz mit besonders schönen Landschaften.
Wir halten an einem Parkplatz, laufen ein Stück und kommen wieder an eine Seenlandschaft. Es geht durch ein kleines Eingangstor und wir sind wie in einer historischen Stadt. Es Weg schlängelt sich um See entlang, zu beiden Seiten bebaut mit kleineren Häusern. Viele sehen schon älter aus, einige wenige Neubauten sind zu sehen. In den Bauten sind kleinere Geschäfte, für Verpflegung oder auch Spezialitäten. Wir bleiben stehen, zwei Männer schlagen abwechselnd auf eine Tonne, hauen eine braune faserige Masse platt, ähnlich wie ein sehr dicker Kuchenteig. Aber es ist kein Teig, es sieht trocken aus. Wenn die Massen dicht genug ist, wird sie aufgeschnitten in kleine Vierecke. Wir können probieren. Es ist so etwas wie gepresste Erdnüsse, schmeckt mehlig- süß, in verschiedenen Farb- und Geschmacksvariationen. Viele kaufen sich einen Beutel, oder auch einen gepressten Teller, hübsch verpackt, als Andenken. Später sehen wir noch andere Läden dieser Art. Aber keiner macht so eine Show mit dem Stampfen, unser Händler weiß schon, wie man Touris anlockt.
Wir gehen weiter. Gelegentlich kommen wir an ein historisches Gebäude, müssen unsere Eintrittskarte vorzeigen und können die Ausstellung besuchen. Zum Beispiel eine Steinausstellung, in der vieles aus den vielfältigen Steinen dieser Gegend erbaut ist. Eine Riesenvitrine sieht auf dem ersten Blick aus wie eine Anrichte mit lauter chinesischen Speisen, wie wir es vom Mittagessen kennen. Der zweite Blick zeigt – alles Steine.
Wir gehen in eine kleine Aufführung, in ein chinesisches Theater. Es sieht tempelartig aus, wir gehen über einen kleinen Hof und werden gebeten, auf der anderen Seite Platz zu nehmen. Wir nehmen auf den Stuhlreihen Platz, blicken auf den Hof und darüber entdecken wir eine Theaterbühne. Eine kleine Show beginnt, mit einer Gruppe von ca. 8 Kindern und Jugendlichen, mit verschiedenen Akrobatik-Nummern, zumeist jonglieren mit Hütchen, Keulen oder Bällen auf dem Boden oder einem Rollbrett nummern. Nach zehn Minuten ist die Show vorbei.
Ein anderes Museum zeigt Schriften von Mao, antike Fotos und historische Hintergründe. Dann kommen wir in eine Art Wachsfigurenkabinett. In jedem Zimmer sind antike Darstellungen von Alltagsszenen zu sehen, reiche Chinesen beim ausschweifenden Mahl, schön gekleidete Chinesen oder Alltags- und Arbeitsszenen aus dem alten China. Wir werden in das Obergeschoss geleitet. „Only for people over 18 years“ sagt unser Reiseführer. Wir wissen nicht so recht weshalb, gehen alle wie in einer Menschenkette die schmale Stiege hoch. Wir kommen in einen Raum. Suwen meint noch zu uns „Nichts für Kinder“, da stößt schon der kleine Louis einen verzückten Schrei aus. In einer Vitrine sind künstlerische Plastiken zu sehen, die wild kopulierende Paare in allen möglichen Stellungen zeigen. „Alles nur Spaß, die spielen nur“, versucht Suwen zu retten, was zu retten ist. „Er lernt gerade“, raunt Thomas mir zu. Unsere Gruppe nimmt es mit Fassung und Amüsement, viele haben vielleicht noch keine derartige erotische Kunst gesehen. Im nächsten Raum kommt Stufe zwei, künstlerische Darstellungen weiterer erotischer Szenen, überzeichnet und nicht unbedingt jugendfrei, aber für die heutige Generation eher zum Schmunzeln als ein echter Aufreger. Im dritten Raum sind überdimensionierte Phallusstatuen zu sehen, alles chinesische Kunst. Wir halten darin auch nicht länger auf als in anderen Räumen und gehen weiter. Jetzt wissen wir, was der Führer mit seiner Bemerkung gemeint hat.
Wir kommen noch an einer Filmszene vorbei. Frauen und Männer mit farbenprächtigen Kostümen machen einen Filmdreh hier. Ein weiteres Museum zeigt noch alte Geldscheine oder einen Altar mit Räucherstäbchen. Einige von uns zünden ein Stäbchen an und stecken es in die bereit gestellte Schale. Entlang der Straßen legen Händler lange Reihen von Chilischoten zum Trocknen in die Sonne aus. Für den Winter, als Vorrat, sagt Suwen.

Nach rund drei Stunden gehen wir zurück, auf dem Weg zum Ausgang machen wir halt in einem Restaurant. Hier sind keine lebenden Schlangen oder Fische zu sehen, wie in anderen Restaurants. Es ist nicht so edel wie unser gewohntes Restaurant und auch die Speisen schmecken nicht so gut, aber wir haben Hunger. Danach geht es in den Bus, wir fahren zurück nach Changsha.
Wir sind recht kaputt von dem Ausflug, kommen am Nachmittag im Hotel an. Wir relaxen, erledigen noch den einen oder anderen Einkauf. Viele gehen gern in den KFC direkt neben dem Hotel und kaufen sich – hoffentlich nur – ein Eis. Etwas Süßes braucht der Mensch.
Beim Abendessen gibt es neue Speisen, heute gibt es scharfes Rindfleisch und erstmals Schlange. Ich gönne mir ein Stück Schlange, zumindest Nils und Nisse trauen sich auch. Bis jetzt haben wir es überlebt.
Auch am Abend ist kein festes Programm. Einige gehen shoppen, Klamotten kaufen oder zum Supermarkt oder gehen einfach nur mit, andere zocken mit ihrem Handy, sitzen zu dritt oder zu viert neben meinem Hotelzimmer, einem Treppenaufgang zum Dachgeschoss. Dort ist der W-lan-Empfang am besten. Michi, Jonasz, Michel, Julius und Maarten bändeln etwas mit den Damen an der Rezeption an, werden auf eine Cola eingeladen und verständigen sich in brüchigem Englisch. So richtig erfolgreich ist es noch nicht, am Ende erhält Michi einen handy-übersetzten Text „Go home, you are 11“.
Morgen geht die letzte Woche los, eine gute halbe Woche noch China. Wir sind nach dem Wochenende gut erholt und wollen wieder gern trainieren. Mal sehen, wer uns als Spielpartner präsentiert wird, nachdem unsere Chinesengruppe weg ist. Und was wir alles auf dem Nachtmarkt erleben.

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