Ein Tag Hongkong

Von 7. September 2011 Allgemein, China, China 2011 Keine Kommentare

Ein voller Tag Hongkong liegt vor uns.

Das Hotelfrühstück ist eher bescheiden, das Personal tut sich schwer mit unseren Sonderwünschen.

Wir haben Glück. Der Sohn von Suwens Freundin, Philipp, begleitet uns den ganzen Tag. Philipp ist 22 Jahre alt, studiert in Karlsruhe Wirtschaftsingenieur und befindet sich auf Heimaturlaub. Er ist in Deutschland aufgewachsen und spricht exzellentes Deutsch, die Eltern wohnen in Hongkong. Sein Vater ist Nationaltrainer von Hongkong, seine Mutter leitet eine TT-Schule. Ein idealer Reiseführer für uns mit deutsch-chinesischem Kulturhintergrund.

Philipp, ein junger, intelligenter, freundlicher und sehr zuvorkommender junger Mann in Lacoste-Klamotten, holt uns um 10.00 Uhr im Hotel ab. Er kommt offensichtlich aus gutem Hause, verfügt über ein feines Ausdrucksvermögen und tritt gleichwohl stets zurückhaltend auf. Er wird bestimmt mal international tätig werden.

Wir wollen auf den „Peak“, die Spitze der südlichsten Hauptinsel Hongkong Island. Die Silhouette dieser Insel hatten wir gestern Abend von Norden aus bewundern können, heute sehen wir die Sache von der anderen Seite. Auf Hongkong Island befindet sich das Finanzzentrum des Landes. „The Peak“ liegt mehr im Hinterland, d.h. man hat von hier den Ausblick auf alle Inselgruppen. Wir fahren mit dem Bus hoch, enge Straßen. Hongkong verbindet absolutes Grosstadtflair mit naturbelassenen grünen Bergen und Hügeln. Und zwischen 50-stöckigen Wolkenkratzern taucht immer mal ein großer Sportplatz auf. Auf der Pferderennbahn von Hongkong sind die Wettumsätze größer als in ganz Deutschland zusammen, meint Philipp. Man kann sich vorstellen, wie wertvoll hier Bauland sein muss, wenn man solche Wolkenkratzer bauen kann. Eine kleine 2-Zimmer-Wohnung kostet hier 0,5 bis 1 Millionen €, je nach Entfernung zur U-Bahn-Station – mit steigender Tendenz.

Der Ausblick, der sich von „The Peak“ zeigt ist – bezogen auf von Menschen geschaffene Bauten – das Größte, das wir bisher gesehen haben und wohl nahezu einmalig auf der Welt. Wir genießen die Aussicht von der Plattform, es ist sehr heiß.

Auf dem Rückweg vom Peak nutzen wir die Schienenbahn, einen kleinen historisch wirkenden Zug, der den Berg rauf und runter ächzt. An der steilsten Stelle beträgt die Neigung 45 Grad. Wer steht, der muss sich total zur Seite neigen, um nicht umzufallen. Diese Bahn ist nchts für die Einheimischen, aber ein Muss für Hongkong-Besucher.

Wir kommen unten an, sind mitten im Finanzzentrum. Bank of China, HSBC, Citybank, alles was Rang und Namen hat, ist hier vertreten. Deutsche Banken sehe ich nicht. Ich will 100 € umtauschen. „Minimum-Servicegebühr 10 €“, informiert mich die freundliche Bänkerin. Zum Glück hat Philipp bei der Bank ein Konto und wir können kostenlos umtauschen.

Wir gehen durch die Straßen. An jeder Ecke Einkaufszentren in der Größe des Alster-Einkaufszentrums. Und alle noblen Marken sind vertreten. Wir essen in einem der zahlreichen besseren Imbiss-Läden. Es ist Mittagszeit, viele Geschäftsleute nehmen ein schnelles Lunch zu sich. Die meisten Menschen tragen Business-Outfits, Touristen sehe ich selten. Man hört Englisch und Chinesisch von allen Seiten.

Wir gehen weiter zum Wasser, genießen den Augenblick. Philipp erzählt von Macao. Macao ist auch eine ehemalige Kolonie, früher portugiesisch, heute wie Hongkong eine chinesische Sonderwirtschaftszone – und ein Spielerparadies, größer als Las Vegas.

Simon träumt spontan von einem Trip nach Macao, inklusive Spielbank und Bungee-Springen. Aber er findet bei uns keine Mehrheit. Wir machen einen Trip mit der historischen Straßenbahn, eng, very British, und ohne Klimaanlage. Eine Fahrt für 20 Cent. Busfahren ist witzig hier, man muss möglichst passendes Geld haben, es wird nicht gewechselt, muss alles schnell gehen. Einheimische haben alle eine Bezahlkarte, halten nur ihr Portmonee vor den Sensor und bezahlen damit.

Ich gewinne immer mehr das Gefühl, dass die sich sonst als so weltoffen gebende Stadt Hamburg im internationalen Vergleich in vielen sinnvollen Dingen unglaublich rückständig ist! Gibt es denn niemanden, der gute Ideen an verantwortliche Stellen nach Hamburg bringt? Wo bleibt unsere Innovationsfähigkeit? Zumindest abkupfern sollten wir doch noch können.
Wir setzen mit der Fähre für 20 Cent nach Kowloon über, chillen dort, kaufen uns einen der beliebten Frucht-Milch-Drinks. Das tägliche Leben ist nicht teuer in Hongkong, vieles kostet hier 20-50% unserer Preise, nur Übernachtungen sind wohl teuer. Jungen und Mädchen laufen in ihren adretten Schuluniformen durch die Gegend, weißes Hemd, dunkle Hose oder Kleid, schwarze Halbschuhe. Nichts mit coolen Klamotten und Label-Mobbing.

Wir sitzen eine Stunde an der Promenade, Philipp erzählt uns über China, Hongkong, über Mao und die Regierung, gibt politische Einschätzungen ab und vermittelt uns Eindrücke über das Verständnis der Asiaten über die Europäer. Und erzählt vom Verhältnis China-Hongkong. Gibt es Spannungen? Nein, meint Philipp. Hongkong IST China, und auch China ist Hongkong. Welches Interesse sollte China haben, den Status von Hongkong zu andern? 50% der Parlamentarier von Hongkong werden von China bestimmt. Und auch in China gibt es Kapitalismus. China befindet sich im Umbruch. Philipp gehört zur ersten Generation, die ohne Hunger aufgewachsen ist.

Wir erfahren sehr viel und merken plötzlich, wie unvollständig und naiv-dumm unsere Medienberichterstattung über China ist. Ich wünschte mir, unsere verantwortlichen Politiker würden vor ihrem Amtsantritt einmal solche Reisen unternehmen, das würde unserem Land sicher gut tun.

Wir sind schon langsam müde gelaufen, nehmen die U-Bahn. „In einer halben Stunde beginnt die Rush-hour“, meint Philipp. Bereits jetzt ist die Bahn so voll wie nach einem HSV-Spiel.

Wir wollen noch über den Markt bummeln. Ein typischer Markt, T-Shirts, Rolex-Uhren für 5 €, Sinnvolles, Plagiate und Nippes, alles ist zu haben. Als Touristen bekommen wir Startgebote vom zwei- bis dreifachen des Marktpreises – merken wir hinterher. Wir gehen ins Hotel. Simon macht noch einen Ausflug in eine Kirche, hört sich noch einige Gospellieder an. Philipp erholt sich von uns zu Hause, wir sind ihm zu großem Dank verpflichtet, tauschen Mailanschriften aus fürs Facebook-Netzwerk.

Wir nehmen eine schnelle Dusche und wollen gleich wieder raus zum letzten Abend. Wir bleiben im Zentrum, suchen uns ein Lokal. Simon möchte unbedingt noch auf die Piste, Philipp hat seine Begleitung angeboten. Wir anderen gehen noch in eine Bar mit Tischen draußen (sehr selten hier), dann zieht es noch alle zu Burger King, deutlich günstiger als bei uns. Es ist Mittwoch Mitternacht, und die Straßen sind voll mit Menschen. Ein Taxi fährt hinter dem anderen. Taxifahren ist günstig und mangels Parkplätzen wohl auch sinnvoll. Wir zähen 2 € für die Rückfahrt ins Hotel. Viele Geschäfte schließen gar nicht und die Menschen scheinen hier nicht zu schlafen.

Abends sitzen wir noch im Hotelzimmer zum Runterkommen zusammen. Es ist eine Stunde nach Mitternacht und wir müssen die vielen Eindrücke erst mal verarbeiten. Morgen steht um 7.40 Uhr das Taxi vor dem Hotel. Wir packen noch und stellen unsere Wecker auf 6.30 Uhr, wollen stressfrei den Flug erreichen. Aber es kommt anders…

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