Letzter Tag in Zhongshan

Von 5. September 2011 Allgemein, China, China 2011 Keine Kommentare

Letzter Tag in Zhongshan. Wir haben auf ein Frühstück verzichtet, nach dem späten Essen gestern. Wir wollen noch ein paar Mitbringsel kaufen. Mit dem sportschulbus fahren wir in die Stadt. Die Frau von Mr. Luo kommt mit, passt auf, dass wir nicht übers Ohr gehauen werden.

Wir besuchen viele Läden, Suwen kauft ein Kilo Medikamente ein für ihre Kinder. Es ist recht heiß. Den größten Teil des Wegs zurück zum Restaurant legen wir zu Fuß zurück, inhalieren China-Atmosphäre. Ständig hupen, und Sirenengeheul, lautes Telefonieren, Frauen mit Sonnenschirm flanieren, üppige farbenfrohe Obst- und Gemüseläden. In wenigen Tagen ist hier Mondfest, das traditionell mit einer bestimmten Art Gebäck gefeiert wird. Überall sind große Auslagen mit Kuchendosen.

Wir essen zu Mittag. Suwen zeigt mir die Baulichkeiten, die Mr. Luo zu einer europatauglichen Unterkunft umbauen will. Er scheint es Ernst zu meinen. Zurück zum Hotel. Wir nutzen die Zeit um zu packen. Hoffentlich passt alles rein in die Koffer und wir haben kein Übergepäck.

Um 15.00 Uhr beginnt unser letztes Training. Jeder bekommt einen eigenen Trainer. Es ist Schultag und für die Trainer beginnt ihr regulärer Dienst erst um 16.30 Uhr mit dem Zwergentraining. Nichts mit entspanntem Training, alle werden gut gefordert. Thorben schwitzt so stark, um ihn herum wird der Fußboden ganz nass.

Der Restaurantchef von gestern kommt rein. Er wollte uns unbedingt noch einmal sehen. Seine Leute haben bis heute noch von den lustigen Deutschen geschwärmt, meint er. Ich gebe ihm noch einen Sasel-Wimel zur Erinnerung, er hängt ihn bestimmt in seiner Trainingshalle auf.

Wir sollen schnell unsere Donic-Hemden anziehen. Ein Reporterteam erscheint, macht Fotos von uns und interviewt Mr. Luo. Auch ich komme dran, werde nach unseren Eindrucken und den Unterschieden zu Deutschland befragt. Suwen übersetzt. Großer Fototermin mit Spielern und Reporterteam.

Dann ist Pause. Es riecht etwas nach Abschied nehmen.

Ich habe genau 12 Sasel-Kulis dabei, schenke jedem einen. Was machen sie damit? Sie balancieren sie zwischen Daumen und Fingern, wackeln hin und her und haben viel Spaß dabei. Haben wir hier mit Analphabeten zu tun? Ich schaue genauer hin. Die Spieler spielen sich gegenseitig eine optische Täuschung vor. Mit der richtigen Technik verwandelt sich der Kuli in eine bewegliche Schlange – sie sind halt geschickt und phantasievoll.

Überhaupt sind die Spieler sehr offen geworden, lustig und lachen auf einmal viel. Wir bemerken, dass hinter der anfangs fast stoisch wirkenden Fassade der Jugendlichen Chinesen sich sehr differenzierte Nuancen und Qualitäten verbergen, die sie jetzt uns gegenüber offenbaren. Eine aufgeweckter 13-jähriger hat großes Sprachtalent, müht sich, uns die richtige Aussprache beizubringen; er würde bestimmt mühelos in Deutschland klarkommen. Der Bomber, den wir tagelang für mürrisch gehalten hatten, legt eine Beat-Box-Nummer hin, erste Klasse, allein und dann auch mit Janni in deutsch-chinesischer Coproduktion – und er lacht!. Die Spieler haben von Simons Breakdance gestern gehört, wollen dies auch sehen. Simon macht eine weitere Darbietung, die Spieler klatschen. Irgendwie will es uns scheinen, als ob wir den Spielern eine noch nie dagewesene Abwechslung verschafft haben – und uns Einblicke in eine fremde Kultur.

Am Ende des Trainings gibt es noch eine Kleine Verabschiedung. Mr. Luo hält eine kurze Rede, ich erwidere. Als Abschiedsgeschenk schenken wir Mr Luo einen großen Abzug von unserem gemeinsamen Bild. Und jeder der Chinesen bekommt ebenfalls einen Abzug für sich. Sie fragen nach Unterschriften auf der Rückseite, eine sehr freundschaftliche Geste.

Wir essen zu Abend. Mr. Luo gibt uns die Ehre seiner Anwesenheit – das erste Mal. Der Besuch war für ihn ein Erfolg, Suwen sagt, Mr. Luo ist im Grunde ein einfacher Mann. Er bekommt oft Gäste aus Hongkong, die bestellen die Karte rauf und runter und lassen alles stehen. Wir hätten immer gut aufgegessen und haben bescheiden bestellt, das ehrt uns. Er meint er freut sich, wenn wir wiederkommen würden.

Nach dem Essen geht es in einem gemischten Team direkt zum letzten TT-Einsatz, zu einem Vergleichsspiel. Wir halten vor einer pompösen Halle. Zwei Ebenen mit je 24 Tischen, die Hälfte ist belegt mit Spielern mittleren Alters. Wir machen Spiele ohne offizielles System, Ortsansässige gegen Sportschule. Chinesen wollen immer nur spielen. Unsere Spieler sind begehrt. Aber nicht erfolgreich. Thorben gewinnt zwei Spiele, alle anderen bleiben ohne Sieg. Typische chinesische Hobbymannschaft. Wir tauschen Wimpel aus, ich bekomme einen vom örtlichen TT-Verband und freue mich, dass seit 2009 schon mindesten sechs Sasel-Wimpel in chinesischen Hallen liegen.

Jetzt heißt es endgültig Abschied nehmen, morgen werden wir Mr. Luo und die Spieler nicht mehr sehen. Jeder macht noch ein Foto von jedem. Vor der Hallentafel nimmt Thorben ein chinesisches Mädchen auf beide Arme und Simon schickt sich an ein Foto zu machen. „Du weist schon“, rufe ich Thorben zu, „in der chinesischen Kultur heißt diese Geste, dass man das Mädchen heiraten will.“ Spontan lässt Thorben das Mädchen fallen, hebt sie erst wieder, als ich ihm versichere, dass dies ein Joke war. „Fürs heiraten bin ich noch zu jung“ meint Thorben später im Bus.

Wir sind ganz froh, dass es kein langes zweites Abendessen gibt. Wir fahren ins Hotel und nehmen uns vor, morgen wie vereinbart pünktlich um 8.30 Uhr mit gepackten Koffern in der Hotelhalle zu stehen.

Und morgen erfahrt ihr, warum Simon einer Frau aus Hongkong hinterher telefoniert.

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