Wir gehen zum Training, erwarten einen vollen Trainingstag. Heute soll wieder die Universitätsgruppe kommen, die wir schon am zweiten Tag in Changsha kennen gelernt haben. Sie sind alle im Studentenalter. Das Training beginnt etwas schleppend, außerhalb der Sportschule herrscht offenbar auch hier etwas weniger Disziplin. Wir sind 14 Deutsche und 12 Chinesen, zwei von uns spielen anfangs intern. Es fängt etwas unstrukturiert an, dann machen wir normale Übungen. Einige Spieler bekommen leicht Kreislaufprobleme, machen gern mal Aufschläge. Vielleicht liegt es daran, dass die Halle über das vergangene Wochenende nicht gut gelüftet worden ist. Auf einmal stehen vier chinesische Trainer um Michel herum, geben ihm Tipps zum Rückhandaufschlag. Da kann ja nichts mehr schief gehen. Michel sagt später, er hätte noch niemals so viele Sachen zum Aufschlag gelernt.
Das Nachmittagstraining ist interessanter. Wir beginnen mit einer guten halben Stunde Aufschläge, üben auch den Tomahawkaufschlag. PatrickM macht so viele Aufschläge aus der tiefen Hocke, dass er nach einer halben Stunde gar nicht mehr auftreten kann. Das Aufschlagtraining läuft hier auch erfreulich konzentriert ab. Vielleicht, weil es für unsere Aktiven ein willkommener Trainingsteil ist, um ohne allzu viel Bewegung etwas zu lernen. Aber auch die Chinesen können konzentriert entweder nur Aufschlag oder nur Aufschlag/Rückschlag spielen. Sie verstehen Aufschlagtraining als gleichrangig wichtiger Teil der Trainingseinheit, spielen immer wieder sechs Punkte an (VH/Mitte/RH halblang oder lang). Ich frage mich, ob wie so etwas jemals in Deutschland realisieren könnten, will es aber versuchen.
Dann machen wir vier Balleimerstationen, mit jeweils drei Aktiven. Wir spielen individuelle Übungen, jeder kann seine Wunschübung aussuchen. Einige testen noch einmal den Kreuzschritt, aber damit tuen wir uns schwer. Nisse und Michi bekommen es hin, die anderen fremdeln etwas damit. Und es wird viel die Rückhand-Eröffnung trainiert. Die Oma spielt auch wieder ein, eine neue Trainerin ebenfalls. Sie spielt sehr schnell und präzise zu, zu schnell für uns bei Falkenberg-Übungen.
Abends gehen wir noch auf den Nachtmarkt. Wir wissen nicht genau, was uns erwartet. Wir fahren mit dem Bus rund sieben Stationen; diesmal geht es ohne Probleme. Wir steigen aus, und stehen in einer Geruchswolke von fünf Garküchen und Zuckergebäck. Es ist dunkel, der Markt ist mit künstlichen LED-Lichtern beleuchtet – oder auch mal phasenweise unbeleuchtet. Dichte Menschenketten schieben sich durch die Gassen. Rechts und links Stände, alle Waren durcheinander. Suwen fragt eine Passantin nach t-Shirt-Ständen. Wir werden durch die Straßenunterführung auf die andere Seite geschickt. Unten im Tunnel ist es heiß und stickig, zwei Menschenreihen drängen sich durch, jede in eine Richtung. Man ist froh, wenn man auf der anderen Seite wieder rauskommt. Wie können es die Verkäufer hier nur zwölf Stunden und mehr aushalten?
Wir drängeln uns durch die rund zwei Meter breite Gasse an den Ständen vorbei. T-shirts, Andenken, Spielwaren, Lebensmittel, Schuhe, Jeans, Wäsche, elektronisches Geräte. Von überall hört man Musik oder Sprache, quäkende Lautsprecher verbreiten über Endlosschleifen immer denselben Text. Man könnte sich neu einkleiden hier auf dem Markt. Auf einem rollbaren Brett schiebt sich ein Bettler auf dem Bauch liegend mit der Hand durch die unbeleuchtete Gasse, alle machen drum herum Platz. Es hat wohl eine Beinverletzung. Ein zweiter Bettler folgt in wenigen Minuten. Und dann schiebt sich plötzlich noch ein unbeleuchteter Lieferwagen, der die gesamte Breite des Marktweges einnimmt, hupend durch die Gasse. Alle müssen ausweichen, drängen sich in die Marktstände rein.
Joel geht kurzzeitig verloren, wird aber wohlbehalten wieder gefunden. Er ist mit einigen von uns vorgelaufen, während Suwen mit Louis hinterher hing. Wir sind eine zu große Gruppe für einen Marktbesuch, beschließen, uns zu trennen. Jeder mag in kleinen Gruppen rumlaufen, an den Ständen entlang oder in den daneben liegenden Geschäften in den Häusern. Und wer keine Lust mehr hat, soll mit dem Bus wieder sieben Stationen zurück fahren. Der Bus geht bis 23.00 Uhr. Wir teilen uns auf. Ich gehe mit den beiden Patricks und hoffe, dass alle unsere Gruppen heute Abend den Weg ins Hotel zurück finden.
Wir gehen noch eine Weile den Markt entlang, finden nur vereinzelt etwas und beschließen, relativ bald zurück zu fahren. Wir wollen lieber noch in Hotelnähe etwas durch die Läden laufen, die wir kennen. Ich kaufe mir ein Trikot, es ist mit 119 Yuan ausgezeichnet, das sind rund 14 Euro. Die Kassiererin tippt 48 Yuan in ihren Rechner und fragt, ob ich es kaufen will. Ich nicke, für 6 Euro kann man nicht viel verkehrt machen. Danach gönne ich mir noch ein Stück Tiramisu von der Back-Kette 85°. Der Hang zu Ketten scheint auch in China immer mehr zuzunehmen. Es wirkt hell und sauber, übersichtlich und die Bedienung ist flott. Das kleine Törtchen wird in eine dekorative Papierfaltschachtel eingepackt, einen Plastiklöffel kommt dazu und fertig – für 1,60 Euro. Zusammen mit einem Dosenkaffee eine kleine Entspannung. Wir sitzen noch zu dritt im Hotel zusammen, bis die anderen kommen.
Gegen 23.00 Uhr sind alle da. Viele sind fündig geworden, haben Tüten dabei. Kopfhörer sind der Renner, aber auch T-Shirts und edle Fake-Unterwäsche. Die Spieler erzählen viel vom Markt. Einige sind wohl etwas auf Abwege geraten, Richtung Rotlicht-Milieu. „You are pretty guys“ werden die Mädchen in knappen Höschen unseren Spielern hinterher. Überhaupt werden wir auch hier immer wieder mal staunend betrachtet, fast wie Aliens, meint Malte. Oder von einem Verkäufer zu einem Foto aufgefordert. Auch hier sieht man keinen einzigen Europäer. Dann gibt es ein Feuerwerk, kleiner Ersatz für das ausgefallene Feuerwerk gestern. Den Rückweg schaffen alle gut. Schön, dass der Nachtmarkt so gut angekommen ist und alle wieder da sind.
Morgen sollen wir mit einer Gruppe neuer Chinesen trainieren, aus einer anderen Sportschule in Changsha. Und ihr erfahrt, wer einen Brief von einer Chinesin bekommt.

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