Sasel zu Gast in der Hölle auf Lunestedt

Das Christentum ist bekanntlich voll von Vorstellungen und Spekulationen über das Aussehen der Hölle. Dumm nur, dass nie jemand auf die Idee gekommen ist, sich einmal in Niedersachsen im Landkreis Cuxhaven umzusehen. Da hat unsere erste Herren sie nämlich gestern gefunden. Während in zahlreichen christlichen Mythen und auf Gemälden die Hölle als Teil des Erdreichs dargestellt wird, können wir nun mit Sicherheit sagen, dass man strenggenommen von einem „Aufstieg“ (und nicht „Abstieg“) in die Hölle reden müsste. Die Hölle heißt nämlich Lunestedt und liegt 5m über dem Meeresspiegel.
Schon der Aufstieg war steinig und schwer. Hinter bäumen lauernde Sittenwächter registrieren übereifrige Höllenpilger und deklarieren per Preisschild, bei wie viel Talern, die im Beutel klingen, die Führerscheine nicht aus dem Portmonee springen.
Darauf hofft nun auch der säumige Sünder Malte, der nach eigener Angabe kurz nach Erscheinen einer grell schimmernden Engelschar eine Zahl zwischen 6 und 9 vor der Null auf dem Tacho in der 50km/h Zone registrierte. Als sittlich gefestigter erwies sich Oliver, der Leons BuFDi-Möhre steuerte und nach eigener Aussage bereits genug Engelscharen in seinem Leben gesehen hatte. Auf diesem Abstieg ins Reich der Unterwelt gaben nur die regelmäßig wiederkehrenden Naturschauspiele Grund zur Hoffnung, die vor allem Oliver für seine am Lebensabend geplante Karriere als Biologe genauestens studierte.
Als unsere 6 Pilger, zu denen heute auch der landadelige Thorben von Hacht gehörte, pünktlich gegen 14.30 das ungelobte Land erreichten, flogen bereits die ersten Bälle durch die Hölle. Schon beim Betreten ihrer stand damit fest: Lucifer hatte bereits die ersten Eisen in den Ofen geworfen. Und das nicht ohne Grund, denn mit dem Ausrutscher am Vortage gegen Westercelle drohte seinen Dienern aus Lunestedt das Abrutschen auf den gefürchteten Relegationsplatz.
Und dann, ca eine halbe Stunde vor Spielbeginn, traf er schließlich ein, um selbst dem Höllenschauspiel beizuwohnen. Lucifer war zwischen 40 und 60 Jahre alt, zum Teil grauhaarig und vor allem eins: zahlreich. Und trotz fortgeschrittenen Alters kreischte er ständig um sich.
Doch nun genug der Lyrik. Nachdem der Oberschiedsrichter es sich nicht nehmen ließ, das lunestedter Publikum noch einmal auf ein, wie sich später zeigen würde, kurioses Tischtennisfest einzuschwören und Janni sich heute mit Pfeilschüssen auf die Welt der Tatsachen zurückhielt, ging es los. Unser frisch vermähltes Traumdoppel Olli und Patrick trauten wir erneut einen Sieg über das 1er-Doppel aus von Harten/Heinemann zu und entließen sie somit erneut als zweites Doppel in die Arena. Zurecht, wie sich zeigte. In spielerischer Harmonie tanzten unsere beiden Athleten den Paarungstanz, wendig wie zwei Schwäne auf dem Wasser. Janni, der heute mal aus dem Publikum heraus betreute, vernahm ein Orchester aus „Oh“s und „Ah“s um sich, das Olli mit zahlreichen Rückhand-Spin-Bewegungen dirigierte. Auch unser alles andere als eingespieltes 1er Doppel aus Thorben und Leon leistete vorzügliche Arbeit, auch wenn der beste Ballwechsel der Partie für unsere beiden Athleten am Boden endete und die beiden Lunestedts Dennis pump dabei zusehen mussten, wie er den Ball nur noch auf die leere Platte schupfte. Mit 3:2, 11:7 konnte unser einziges links-rechts-Doppel auf 2:0 erhöhen. In Doppel drei trafen dann Janni und malte auf das Doppel Gluza/Oldenstädt, ein Spiel das keinen klaren Favoriten kannte. So wurde es dann auch der erwartete fünf-Satz-Krimi, den unser mittleres Paarkreuz trotz 10:8 im fünften nicht für sich entscheiden konnte (wozu auch der Autor des Artikels mit einem Fehlaufschlag seinen Beitrag leistete). Damit war der Dreifachschlag, vielleicht eine Mini-Vorentscheidung, verpasst. 2:1 für uns also.
Während Malte und Janni noch mit ihrer Niederlage haderten, war Am Nachbartisch bereits eine leises und regelmäßiges Stöhnen unseres Zwirbel-Zupfers Oliver zu vernehmen, den DTTB-Nachwuchstalent Jonah Schlie auf eine Konditionseinheit gebeten hatte. Schlies‘ Rückhandsägen segelten nun noch flacher und spinreicher über’s Netz als im Hinspiel und sein Schlagrepertoire hatte der Jungspund um einen Rückhandüberraschungsblock erweitert, mit dem Olli gegen Ende des Matches etwas zu kämpfen hatte. So musste Olli jedes Werkzeug seines Zwirbelkastens auspacken um zu bestehen und wickelte den Ball einige Male so sehr ein, dass das Plastik des Joola-Balls unter der Hitze der Reibungskraft zu verschmoren drohte. Nach vergebenen Matchbällen für Oliver in Satz drei wurde es ein Tischtennisspektakel unter frenetischem Zuschauerjubel. Doch auch die leidenschaftlichen „Jona!“ Rufe der Lunestedter „Ultras“ konnten Oliver nicht vom 3:2-Sieg abhalten.
Ein derartiges Spektakel ließ Leon am Nachbartisch sich gar nicht erst entfachen. Mit einem beeindruckenden 3:0-Sieg baute unser TTR-Ritter seine zu-Null-Bilanz  in der Rückserie gegen einen chancenlosen Martin Gluza weiter aus.
Danach traf Janni auf Matti von Harten, dessen rückhandloses Einspielen jedem Gegner sogleich klar macht, was ihm bevorsteht: Vorhand ganzer Tisch. Mit diesem vollständig auf den Vorhand-Eröffnungsball bauenden Spiel hatte Janni von Anfang an große Schwierigkeiten und geriet schnell mit 0:2 in Rückstand. Nachdem das Rückschlag-Problem sich legte und der dritte Satz an den Franzosen ging, offenbarte sich ein neues Problem: der Vorhand Gegenspin. Zu häufig war von Harten der Sieger in den Halbdistanz- Rallies und konnte schließlich auf 2:4 aus Lunestedter Sicht verkürzen.
Danach erblickte Malte Dittmar mal wieder das Licht der Tischtenniswelt, der sich, frisch aus dem Skiurlaub kommend, direkt an die Platte wagte. Am Vorabend hatte er vermutlich noch beim Apres-Ski zu Mickie Krause gegrölt. Das vermittelte zumindest die Form. Nach einer sagenhaften Hinrunde läuft er in der Rückrunde weiterhin seiner Form hinterher: 0:3 unterlag er Dennis Heinemann.
Danach ging unser einziger Spieler mit Migrationshintergrund an die Platte. Nach einigen emotionalen Entgleisungen in der letzten Woche versprachen sich die Fans diese Woche eine Entvulgärisierung seiner Körpersprache unter Beibehaltung des Unterhaltungscharakters seiner Performances. Dieser Forderung konnte Patrick im Großen und Ganzen gerecht werden, wohl auch, weil er angesichts der phänomenalem Ballwechsel mit Lunestedts Oberliga-Ersatz Björn Oldenstädt keinen Grund zum Ärgernis hatte. Dass er am Ende trotzdem dem Gegner gratulieren musste, war schlicht der Tatsache geschuldet, dass Oldenstädt, in schallernden Jubelchören sich wiegend, mit unmöglichen Rückhand Gegenspins an den Pforten des Olymps klopfte. Nicht unverdient glich er also zum 4:4 aus. Am Nebentisch hatte Thorben seine Schwierigkeiten mit Dennis Pump, obwohl sich die beiden bis zum Stand von 1:1 auf Augenhöhe duellierten. Danach hatte Pump jedoch vor allen auf Grund seiner Weichen Effetvorhände die Nase vorn. Damit also 5:4 für Lunestedt.
Mit dieser erstmaligen Führung, so schien es, hatte Lucifer nun auch das letzte Eisen in den Ofen geworfen. Jeder Spieler wurde Individuell gepriesen, mit Spitznamen versehen und der Begriff der „Lunepower“ fand Eingang in die deutsche Sprache. Dieser Höllenritt trug sicherlich seinen Teil dazu bei, dass wir nun das seltene Ereignis eines 0:2-Durchgangs im oberen Paarkreuz erleben mussten. Leon, eigentlich Abwehr-Zermalmer vor dem Herren, verlor das erste Spiel der Rückserie gegen den bis dato 2:8 im oberen Paarkreuz stehenden Schlie, der allerdings spielte wie ein junger Gott. Etwas tragisch: Leon holte trotz Niederlage (2:3, 7:11) mehr Punkte und verlor wieder – wie immer wenn er bisher in der Saison verlor – im fünften Satz. Am Nebentisch verlief Ollis Spiel zunächst ähnlich unglücklich, den ersten Satz verlor er nach Satzbällen durch einen Kantenball. Etwas genervt und unter leichten Problemen mit Gluzas unangenehmen zweite-Phase-Gezwirbel ließ Olli danach den unbändigen Siegeswillen vermissen und verlor (0:3).
Aber wie es sich gehört für einen TT-Leckerbissen der extra Klasse drehte sich das Spiel nun, beim Spielstand von 4:7, erneut und unser mittleres Paarkreuz begann auch damit, sich am Saseler Punktekonto zu beteiligen. Malte hatte nun, vielleicht vom Höllenfeuer geweckt, aufgehört sich gedanklich in den Weiten des Alpenpanoramas zu verlieren und machte gegen von Harten sein bislang bestes Spiel der Rückserie. Vor allem Maltes berüchtigte Rückhand-Pressblocks waren dabei der Schlüssel zum Erfolg. Zudem konnte Janni unter der schützenden Hand von Coach Leon nach einer (auch krankheitlich bedingten) Horrorvorstellung am Vortage wieder in die Nähe seines besten Tischtennis gelangen. Wieder einmal führte in die neugewonnene Nervenstärke und vielleicht auch ein wenig das Kahnartige Sichaufgeilen an den eigentlich für den Gegner bestimmten Jubelschreien nach 4:7-Rückstand gegen Dennis „Heini“ Heinemann noch zum Erfolg. Nach 4:7-Rückstand waren wir also wieder im Rennen: 6:7.
Danach war unser Küken und frisch gebackener 21-jähriger wieder an der Reihe, uns mit seinen 80er-Jahre-Topspins zu verzücken. Hier und da fast etwas zu locker wirkend, war Patrick gegen Dennis Pump stets der bessere Spieler an der Platte und verkürzte auf 7:7. Nun waren nicht nur bildlich alle Augen auf Thorben gerichtet, das Abschlussdoppel konnte noch nicht gespielt werden, da er selbst Teil unseres 1er-Doppel war. Nach Gewinn des ersten Satzes, fand Oldenstädt immer besser ins Spiel, zunächst auch dank einiger Netzbälle, die man im Lunestedter Publikum nicht immer ganz genau zur Kenntnis nahm. Davon sichtlich genervt, nahm  Thorben es schließlich mit Lucifer auf und stellte dessen Fair-Play-Manieren in Frage, woraufhin Lucifer fragte, wie Thorben sich denn die Hölle vorgestellt habe… Okay, Spaß beseite, Lucifer reagierte mit vereinzelten Buhrufen, aber alles in allem war Lucifer doch nicht so schlimm, wie von vielen Christen behauptet. Im Gegenteil, eigentlich waren wir, wie Paddy zwischenzeitlich offen eingestand, nur neidisch auf das zweifellos lauteste Publikum der Liga, aber auch dankbar, weil es uns eines der besten und unterhaltsamsten Spiele der Saison bescherte. Ein Team also, das gerne in der Liga bleiben darf.
Nach Betrachtung des Spielverlaufs war es ein gewonnener Punkt in der Hölle auf Lunestedt, was auch die enttäuschen Gesichter nach dem Abschlussdoppel auf Seiten der Lunestedter verrieten. Zu verdanken hatten wir den Punkt unter anderem einer starken Performance von Leon und Thorben im Abschlussdoppel. Vor allem Leon stachelten die Jubelchöre zu Höchstleistungen an, denen von Harten und Heinemann am Ende nichts mehr entgegenzusetzen hatten (3:1).
Euer Jannilein

Ein Kommentar

  • Sebastian sagt:

    Ein sehr schöner Bericht – hatte ich vergessen zu loben, als ich ihn zuerst gelesen hatte und nun steht hier gar kein Kommentar drunter, das hat der Bericht nicht verdient. Lucifer stelle ich mir zwar nicht als eine Horde alternder ländlicher Tischtennisfans vor, aber Phantasie hat unser Jannilein nun einmal. Die Hölle im Elbe-Weser-Dreieck zu vermuten, ist allerdings nicht so fernliegend – sag ich als Ex-Referendar im Gerichtsbezirk Stade… Hatte sie damals aber eher in der Postkantine Stade verortet.
    Schöne Grüße nach Bordeaux

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