Spaziergang mit unserem Sicherheitsoffizier

Wir frühstücken im Hotel, chinesisches Buffet, die meisten nehmen nur wenig. Das chinesische Frühstück wird in Deutschland keiner von uns vermissen.

Wir fahren mit dem Bus in eine neue uns unbekannte Halle, ca. 20 min mit dem Bus. Tobi leidet noch unter Magen-Darm-Verstimmung. Thomas hat Fieber und trainiert nicht mit. Florin hat seine TT-Sachen dabei. Seine rechte Hand ist zwar noch lange nicht einsatzfähig, aber da er mit links schreibt und schneidet, versucht Florin heute, mit links Tischtennis zu spielen. Für einen halben Linkshänder besser als gar nichts.

Die Halle befindet sich in einem neuen Gebäude, 6 blaue Tische auf rotem Boden, wie bei jeder WM, im ersten Stock einige Kraftgeräte und Laufbänder. Es sieht aus wie in einem TT-Leistungszentrum. Auch andere Sportarten werden auf dem Gelände trainiert.

Florin und André erscheinen in der Halle ohne Sporthose, aus meinem Fundus decke ich den Bedarf. Unser Sicherheitsoffizier leitet das Training. Er ist Cheftrainer des örtlichen TT-Kaders und damit Hausherr.

Das kurze Einlaufen entspricht nicht modernen westlichen Standards, viel reißen und gelenkbelastend. Im Training machen wir an zwei Tischen Ballkiste, ansonsten normale Übungen. Ich will Videoaufnahmen machen, kaum einer hält mehr als zwei Bälle. Wir sind eher schwach, unsere Zuspielchinesen vermutlich etwas genervt. „Unfähige Langnasen“, werden sie denken, lassen sich aber wenig anmerken. Die erste Einheit läuft nicht gut. Florin trainiert vorsichtig an der Ballkiste, gar nicht so schlecht für den ersten Tag mit links, ich übe mich im Ballkistenzuspiel.

Wir wollen zum Mittagessen gehen, wissen nicht genau wohin. Suwen meint, Ausgang, dann links. Wir gehen raus, Richtung Straße, unser Sicherheitsoffizier ist dabei. Nach 100 Metern wundern wir uns, dass er uns keine Richtung vorgibt und fragen ihn in Zeichensprache, wo es zum Essen geht. Er deutet den Weg zurück. Nettes Missverständnis! Er dachte, wir wollten spazieren gehen und folgte uns, wir dachten, er will uns zum Essen geleiten.

Es gibt Mittagessen im Gebäude, verpackt wie vom Lieferservice. Ich freue mich, dass meine Mails nicht nur von den Angehörigen, sondern auch zunehmend gern vom Team gelesen werden. Nachmittags geht es weiter, Tobi steigt leicht ins Training ein, Florin scheint es Spaß zu machen mit links. Seine rechte Hand liegt in der Schiene und ist schmerzfrei.

Die zweite Trainingseinheit läuft deutlich besser. Am Nachmittag kommt Mr. Wu vorbei, er ist der Jungen-Cheftrainer des Bezirks, ein kleiner, energischer, aber freundlich dreinblickender Chinese, der sehr konzentriert beobachtet, bevor er eingreift. Er strahlt Souveränität aus, spricht aber kein Englisch. Ich finde es phänomenal, dass er – wie auch Mr. Chen und Suwen – viele konkrete Hinweise durch Gesten und Vormachen geben kann, ohne den Mund einmal aufzumachen.

Ich glaube, dass im asiatischen Training – zumindest im Bereich unserer Leistungsstärke – viel mit vormachen, beobachten und nachmachen gearbeitet wird, während man in Deutschland mehr mit verbalen Anweisungen arbeitet. Vielleicht sind deutsche Kinder zu blöd, um Bewegungen zu beobachten und zu verstehen. Aber ob sie verbale Anweisungen besser verstehen? Ich nehme mir vor, künftig im Training mehr Bewegungen vorzumachen.

Wir fahren mit dem Bus zurück ins Hotel. Florin hat mich heute mit seinem Linksspiel beeindruckt. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass er vielleicht mit links stärker als mit rechts werden könnte. In dieser Woche ist es ohnehin alternativlos, für die Zeit danach wird es zumindest sein laterales Denken anregen und ihm dadurch auch für sein Rechtsspiel von Nutzen sein.

Abends gehen wir zu Fuß in ein rustikales Gänse-Lokal in unserer Straße. Unsere Straße zweigt von einer Hauptstraße ab, und noch während des gesamten Abends drängen sich hupende Busse, Autos und Mopeds sowie Fußgänger kreuz und quer über Bürgersteig und Straße. In unserem Lokal werden alle Gerichte rund um die Gans angeboten, mit Gaskocher auf jedem Tisch. Ich sitze neben der Kochstelle und habe Angst, dass mir die kochende Suppe über den Schoß schwappt – das passiert zum Glück nicht. Die Speisen sind recht fett und derzeit nicht so ideal für uns. Wir lassen viel stehen.

Am Abend haben wir frei. Wir nutzen dies für eine zeitige Bettruhe, Gesundschlafen oder Schlaf nachholen.

Morgen wird Mr. Wu das Training leiten. Und wir werden doch noch zu einem Wettkampf verpflichtet.

Hinterlasse eine Antwort