Liebe Leute,
statt vom heutigen Spiel der ersten Herren gegen Salzgitter zu berichten, möchte ich mit euch ein wichtigeres Thema diskutieren.
Vor einiger Zeit hat uns der SV Bolzum beim Regionalliga-Spiel mit einer Protest-Aktion darauf aufmerksam machen wollen, dass wir Wettbewerbsverzerrung betreiben. Die Angemessenheit der Transportierung der Botschaft mal außer Acht gelassen, sollten wir uns fragen: stimmt der Inhalt? Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich möchte in einem Verein spielen, der sich bei solchen Vorwürfen kritisch hinterfragt und sich auch generell aus Eigenmotivation fair verhält (und nicht erst nach Aufforderung).
Der ein oder andere wird sich vielleicht fragen, ob dies die richtige Plattform dafür ist. Sollte das nicht intern diskutiert werden? Die Antwort lautet meines Erachtens: nein. Erstens können so andere Vereine sehen, dass wir ein genuines Interesse daran haben uns fair zu verhalten und zweitens regen wir damit – hoffentlich – andere Vereine dazu an, das selbe zu tun. Das setzt natürlich voraus, dass die Diskussion hier so viel Interesse bei euch weckt, dass wir verdientermaßen sagen können, dass wir dem Vorwurf nachgegangen sind.
Konkret betrifft der Vorwurf – das vermute ich zumindest – unsere Aufstellungen bei den Spielen gegen Bolzum und Oesede. Ein Blick auf die Tabellensituation verrät, dass beide voll im Abstiegskampf stecken und Bolzum jetzt vor Oesede wäre, wenn wir Oesede geschlagen hätten.
Um meinem Ergebnis vorzugreifen: Bolzum hat recht und wir haben Wettbewerbsverzerrung betrieben. Die gute Nachricht ist aber, dass wir das in der Rückserie wieder ausgleichen können und damit Buße tun können.
Warum wir Wettbewerbsverzerrung betrieben haben
Hier unsere Aufstellungen gegen beide Teams:
Spiel gegen Bolzum – Ergebnis 9:5
- Oliver Alke
- Leon Abich
- Mariano Lockward
- Johannes Laute
- Jan Niklas Meyer
- Tobias Schmidt
Spiel gegen Oesede – Ergebnis 2:9
- Leon Abich
- Mariano Lockward
- Jan Niklas Meyer
- Tobias Schmidt
- Marten Stange
- Sang-Min Do
Ich denke ich brauche keine TTR-Werte daneben zu schreiben, um klar zu machen, dass zwischen der Leistungsstärke dieser beiden Mannschaften Welten liegen. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich Umstände, die so etwas rechtfertigen und unter denen sich eine Mannschaft trotzdem keine Vorwürfe machen muss. Nicht selbstverschuldete oder unglückliche Verletzungen sind ein solcher Umstand. Paddy musste sich leider kurz vor dem Oesede-Spiel einer Kiefer-OP unterziehen und konnte deshalb nicht mitspielen, was eindeutig in die Kategorie „nicht selbstverschuldete Verletzung“ fällt. Damit ist sein Fehlen entschuldigt. Olli musste beim TOP48 der Jugend betreuen (für die, die es nicht wissen, er ist Verbandstrainer von Hamburg). Entschuldigt das sein Fehlen?
Um das zu beantworten muss man sich die allgemeinere Frage stellen, ob ein Verein einen Spieler melden darf von dem er weiß, dass dieser an zwei bis drei zufällig sich ergebenden Spielen pro Serie nicht teilnehmen kann. Nochmals zur Verdeutlichung: Wenn ich hier von „darf“ spreche, dann rede ich von einem fairness-basierten „darf“ und nicht von einem dürfen im Sinne des Reglement. Es gibt Leute die glauben, dass die beiden „darfs“ sich nicht unterscheiden, aber diese Auffassung halte ich für absurd (genauso wie die manchmal in politischen Diskussionen geäußerte Auffassung, dass Legalität und Moralität deckungsgleich sind, um mal ein bisschen abzuschweifen).
In Ollis Fall müssen zwei Güter miteinander abgewogen werden. Zum einen die durch sein zufälliges Fehlen verursachte Wettbewerbsverzerrung und zum anderen das Interesse der Tischtennis-Community einen Spieler wie Olli in der Liga zu haben. Dieses Argument ist kein fadenscheiniger Vorwand zur Durchsetzung unser eigenen Interessen. In meinen drei Jahren Regionalliga habe ich es schon etliche Male miterlebt, dass Zuschauer, Gegner und Schiedsrichter ihre Freude darüber zum Ausdruck gebracht haben, gegen einen Spieler wie Olli (d.h. langjähriger Profi und Nationalspieler) zu spielen oder ihm zuschauen zu dürfen. Die Besonderheit seiner Person alleine wäre aber wohl kein hinreichender Grund, um sein punktuell und zufällig auftretendes Aussetzen zu entschuldigen. Hinzu kommt aber die Tatsache, dass Olli (a) aus beruflichen Gründen fehlt und (b), dass dieser Beruf mit Tischtennis zu tun hat. Zudem erfolgen Ollis Aussetzer nach dem Zufallsprinzip und die Mannschaften, die die A-Karte ziehen werden damit nicht bewusst ausgewählt (was häufig bei unfairness eine elementare Rolle spielt). Eine notwendige Bedingung ist wohl aber auch, dass wir wenigstens den Versuch unternehmen Kollisionen mit Ollis beruflichen Verpflichtungen zu vermeiden insoweit wir im Rahmen der Punktspielplanung Einfluss auf die Termine nehmen können.
Alles in allem ist Ollis Aussetzen gegen Oesede also entschuldbar gewesen. Das Problem liegt anderswo. Erstens, wir hätten stärkeren Ersatz stellen müssen. Unsere zweite Mannschaft hatte am selben Tag kein Spiel. Mit Sang-Min (dem persönlich natürlich kein Vorwurf gilt) haben wir einen Spieler aus der fünften Herren antreten lassen. Stattdessen ist Jon, der schon mehrfach Spiele in der Regionalliga gewonnen hat, mit Olli zum Betreuen des Top48 gefahren (auch hier kein persönlicher Vorwurf, sondern unser kollektiver Fehler). Zweitens haben wir Johannes gegen Bolzum aus Schottland zu seinem ersten und einzigen Hinrundenspiel einfliegen lassen, obwohl keine Personalnot bestand (Tobi hat sich erst im Bolzum-Spiel verletzt). Das Selbsterhaltungs-Argument, nach dem alle Fairness draußen bleiben muss, wenn es um das eigene nackte Überleben geht, zieht hier also nicht. Paddys Verletzung, die gegen Bolzum noch Bestand hatte, reicht als Rechtfertigung nicht. Denn warum haben wir ihn dann nicht gegen Oesede geholt, wo die Personalnot viel dringlicher war? An sich halte ich es nicht unbedingt für verwerflich einen im Ausland lebenden Spieler zu melden. Das ist aber nur dann der Fall, wenn mann von ihm nur dann Gebrauch macht, wenn einen tatsächlich das Verletzungspech überkommt und alle Fairness draußen bleiben muss. Aber hier muss ich mal die Vermutung äußern, dass das nicht von allen so angedacht war, sondern, dass Johannes auch ohne Verletzungsnot hätte eingesetzt werden sollen. Das ist nicht zu rechtfertigen, außer natürlich er spielt gegen alle Auf- oder alle Abstiegskandidaten gleichermaßen, was aber völlig unrealistisch angesichts der dafür erforderlichen finanziellen Mittel und angesichts Johannes mehr als auslastendem Studiums.
Möglicherweise hätten wir auch ohne Johannes gegen Bolzum gewonnen und mit besserem Ersatz auch gegen Oesede verloren. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir es versuchen hätten müssen. Außerdem ist im Abstiegskampf häufig auch das Spielverhältnis entscheidend.
Insofern bleibt mir also nur mich bei Bolzum im Nahmen meines Vereins zu entschuldigen. Sofern wir dadurch nicht anderweitig Wettbewerb verzerren, schulden wir euch in der Rückserie mit der selben Truppe wie gegen Oesede in der Hinserie anzutreten. Ob das möglich sein wird, weiß ich nicht. Aber ich kann euch versichern, dass ich mich voll und ganz dafür einsetzen werde.
Eure Meinungen/Kommentare?
Gruß,
Janni
Lieber Jan-Niklas.
Wettbewerbsverzerrung im engeren Sinne liegt aus meiner Sicht dann vor, wenn ein Verein vorsätzlich die Aufstellung so steuert, um einen anderen Verein zu benachteiligen. Das haben wir beim TSV Sasel noch nie gemacht. Natürlich führen Personalausfälle aus verschiedensten Gründen immer wieder dazu, dass Mannschaften unterschiedlich stark antreten und das kann im Einzelfall für einen dritten Verein extrem ärgerlich sein. Das Problem zieht sich aber von der Kreisliga bis in höhere Spielklassen durch. Bei Sasel gibt es mehrere Gründe für die stark wechselnden Aufstellungen: Auslandsaufenthalte, Verletzungen (nicht zu knapp), und vier! Mannschaften in der Klasse Landesliga und höher. Großvereine haben eben immer mehr Optionen für Ersatzgestellungen und damit wächst die Zahl der Variablen. Ja, es ist ärgerlich wenn man Opfer des Personalkarussels anderer ist, aber da können wir doch alle ein Lied von singen: Vor zwei Jahren hatten wir 2 Mannschaften in der Verbandsliga. Gegen die starke 3. Mannschaft sind die Gegner immer mit Resterampe angetreten, eine Woche später gegen unsere abstiegsbedrohte 4. Mannschaft konnten sich keiner einen Punktverlust erlauben. Da stand dann immer das A-Team am Start. Am Ende noch eine philosophische Frage: Wann fängt die Wettbewerbsverzerrung an? Bei der suboptimalen Urlaubsplanung eines Leistungsträgers? Bei der Ablehnung eines Verlegungsbegehrens? Bei dem Einsatz eines zu starken bzw. zu schwachen Ersatzspielers? Ich weiß es nicht, aber das Spiel am Sonntag gegen hat ja noch einmal deutlich gemacht, dass es Aufstellungen gibt, die einfach nur aus der Not geboren werden (auf beiden Seiten Spieler, die auf dem Zettel stehen, aber verletzungsbedingt nicht antreten. Das habe ich in über 30 Jahren Tischi noch nicht erlebt – war ja auch nur Regionalliga (hat mir trotzdem Spaß gemacht).
Hey Tom,
Vorsätzlichkeit muss nicht vorhanden sein, wie folgendes Gedankenexperiment zeigt:
Sasel III steht vor dem letzten Spieltag gesichert da, nach oben und unten geht nix mehr. Sasel III spielt aber gegen ein sich im Abstiegskampf befindendes Team. Da es aber für Sasel um nichts mehr geht, entschließt sich ein Spieler lieber nett essen zu gehen mit seiner Frau. Er hat überhaupt keine Intention irgendjemandem zu Schaden, einfach mehr Lust an dem Abend essen zu gehen. Dadurch tritt Sasel III mit einem schlechteren Team als gegen alle anderen Abstiegskonkurrenten an.
Für mich ein klarer Fall von Wettbewerbsverzerrung, obwohl keine Vorsätzlichkeit im Sinne einer Intention irgendjemanden zu schaden vorhanden ist (natürlich nur, wenn kein gleichstarker Ersatzspieler zur Verfügung steht).
Grundsätzlich halte ich es für legetim, dass in einer „Hobbyliga“ wie der Regionalliga manche Spieler aus beruflichen Gründen nicht alle Wochenenden spielen können und dann Ersatzspieler zum Einsatz kommen. Ich persönlich muss zur Zeit ca. 2 Wochenenden im Monat arbeiten, da geht es einfach nicht anders. Ähnlich ist es ja auch bei Olli mit Betreuung. Daher wäre es völlig absurd zu argumentieren, dass wenn ein Spieler nur ca. 7mal spielen kann, gar nicht spielen sollte. Natürlich gibt es auch immer zusätzliche Ausfälle, wie z.B. Patricks und meine Verletzung, was man nicht kalkulieren kann. Dennoch muss Janni in vielen Punkten rechtgeben. Es muss dann versucht werden die bestmögliche Mannschaft aufzustellen und dies ist gegen Oesede nicht geschehen. Wenn dann nach einem „weggeschenken“ Spiel am nächsten Wochenende auf einmal Johannes eingeflogen wird und die Mannschaft auf 4 Positionen verändert ist, kann ich den Unmut der Gegner gut verstehen. Dennoch sollte man dies jetzt meiner Meinung nicht nur auf die Spiele Bolzum und Oesede beschränken, da wir gegen Lunestedt und Bargteheide auch stärker angetreten sind. Daher ergibt es jetzt aus meiner Sicht wenig Sinn in der Rückrunde gegen Bolzum schwächer anzutreten, da dann wiederrum anderer Mannschaften betroffen sind. Wir sollten aber schon grundsätzlich hinterfragen, ob es dauerhaft Sinn macht Spieler zu melden, die gar nicht spielen wollen/können und vor allem diese nur dann zum Einsatz kommen lassen, anderer Spieler ausfallen, um stark wechselnde Aufstellungen zu vermeiden und immer mit konkurenzfähigen Mannschaften anzutreten. Ansonsten macht man sich auf Dauer halt extrem unbeliebt bei anderen Vereinen und betreibt zumindest teilweise Wettbewerbsverzerrung.