Tobi steht morgens mit ganz steifem Kreuz auf. Die harten Betten sind wohl Gift für seinen Rücken. Wir starten um 8.30 Uhr zur Sportschule. Wir sind zu den angegebenen Treffpunktzeiten nicht richtig pünktlich, sagt mir Suwen. Die Chinesen sehen dies als Mangel an Respekt an.
Nach einem schlichten Frühstück geht’s zusammen mit den Chinesen im Bus zur Sportstätte. Marci und Thorben sind mitgekommen, auch wenn sie heute keinen Einsatz haben. Die chinesischen Mädchen fordern uns auf: „Sing a Song“, wir quittieren die Aufforderung mit Fussballer-Schlachtgesängen von überschaubarem Niveau – die Chinesen sind begeistert. Sie stehen wohl auf deutsches Singen – gut, dass sie es nicht verstehen.
Tobi hat eine günstige Auslosung, hat einen schwächeren Gruppenersten bekommen, den er beim Team-Wettbewerb schon geschlagen hat. Tobi startet gut, lasst sich die Satzführung aber abnehmen und geht bis zum 0:2 in Sätzen fast unter. Er spielt mit Schmerzen, zumindest mit Schmerzangst, das sieht man. Er liegt im dritten Satz gar 4:7 hinten. Mit toller Disziplin stemmt Tobi sich gegen die drohende Niederlage. Nach Time-out kommt Tobi immer besser ins Spiel. 2:2 in Sätzen – Entscheidungssatz. 5:0-Führung, der Gegner zieht nach Time-out auf 5:5 nach, Tobi wieder 10:6 vorn dann 10:10. Es geht in die Verlängerung, Tobi quält sich. Normalerweise müsste Tobi gewinnen, aber heute war es nicht möglich. Schade! Der nächste Gegner wäre leichter gewesen, danach käme schon Halbfinale.
Dann spielt Janni. Janni hat wieder einen Starken erwischt, hat im ersten Satz Satzbälle, kann sie aber nicht nutzen. Im zweiten und dritten Satz wird der Gegner noch stärker. Janni ist enttäuscht, seine Aufschläge kommen nicht sicher, er ist noch zu nervös. Und er hatte noch keinen richtigen Spielerfolg.
Simon geht es ähnlich. Wie vorausgesagt war sein Gegner auch stark. Es langt nicht zu einem Satzgewinn. Damit sind alle unsere Starter gemeinsam auf den 9. Platz gekommen. Wenn Tobi fit gewesen wäre, hatte er heute den 3. oder 4. Platz holen können. Später stellt sich heraus, dass Janni in seinem Einzelspiel und im ko-Spiel ausgerechnet gegen die beiden Finalteilnehmer spielen musste – Viel Feind, viel Ehr‘. Aber Janni ist zufrieden, es lag wohl nicht an seinen Aufschlägen, dass er verloren hat.
Wir bekommen wieder ein Lunchpaket für die Mittagspause. Reis, vermatschtes Gemüse, darüber fettes Fleisch und obendrüber noch jede Menge fette Soße. Das war das einzige Mal, dass es uns nicht geschmeckt hat. Wir lassen fast alles stehen. Es wird noch genug für uns geben an diesem Tag.
Die Siegerehrung dauert lang, erst gegen 17.00 Uhr fahren wir in die Stadt. Ein frühes Abendessen in Mr. Luos Restaurant. Abends haben wir Vergleichsspiel, es geht gegen die Hobbytruppe von einem anderen Restaurant-Chef. Wir sollen in unseren geschenkten Donic-Hemden spielen, Werbung machen für die WEIYE-Sportschule von Mr. Luo. Naja, die Hemden haben wir ja erst drei Tage in Folge getragen…
Wir fahren eine halbe Stunde, halten in einer Dorfhauptstraße. Wir werden in eine kleine Halle geführt, zwei Tische, Bänke außenherum. Es ist recht warm, trotz Klimaautomaten. Wir werden sehr freundlich vom Restaurantchef begrüßt. Man sieht eine freudige Anspannung in den Augen der Gegner. Wir spielen im Team1mit Janni, Simon und Thorben. Tobias schont seinen Rücken, Marcel seine Beine. Im Team2 spielt Mr. Luo und einige Chinesen aus der Sportschule.
Unsere Gegner sind mittleren Alters, und nicht schlecht. Vom Auftreten waren es alles Hobbyspieler. Wir spielen drei jeder gegen jeden. Ein Gegner hat eine lange glatte Noppe, Penholder, und dreht behende. Nur Janni konnte einen Satz gegen ihn gewinnen, die anderen waren eine Klasse schwächer. Insgesamt verlieren wir 3:6. Thorben hat seinen ersten offiziellen Einsatz. Aber die Gegner sind zu stark für ihn.
Es ist schon etwas frustrierend. Wir treten mit einer Oberliga-/Hamburgligamannschaft an, die in Hamburg selten genug ist und verlieren gegen Hobbyspieler in einem chinesischen Dorf, das es so oder ähnlich vermutlich tausendfach gibt. Egal, wir lernen.
Die Spieler sind total durchnässt. Wir sollen direkt gegenüber zum Abendessen gehen, weit und breit keine Dusche. Frisches T-Shirt drüber. Es ist 22.30 Uhr. Das Restaurant öffnet nur für uns. Wir sitzen mir 40 Leuten um vier Tische herum. Es wird gut aufgefahren. Das Lokal ist edler als bei Mr. Luo, hat eine Bühne, Diskoanlage und Fernseher im Raum.
Unser Gastgeber ist sehr freundlich, begrüßt uns mit höflichen Worten. Es wird Bier getrunken und natürlich nach chinesischer Art angestoßen, jeder mit jedem und dann auch von Tisch zu Tisch. „Gambei“ ist das chinesische Wort für „Prost“ und heißt „Boden leer“. Ich hoffe, dass es nicht ausartet. Die Schnapsflasche bleibt zum Glück im Schrank.
Dann werden wir aufgefordert zum Karaoke-Singen. DJ Jan Niklas und Thorben schauen, was die Musikanlage so alles zu bieten hat und entscheiden sich für Mikel Jacksons „Billie Jean“. Beide ordern ein Mikrofon und geben tatsächlich ein Ständchen. Aber das war erst der Anfang. Ermutigt vom Jubel bringt Janni eine Beat-Box-Einlage. Das chinesische Publikum geht voll mit, haben so eine Sache live bestimmt noch nie gesehen. Jetzt wird auch Simon inspiriert und gibt zusammen mit Janni eine Rap-Nummer zum Besten.
Aber jetzt kommt Simon erst richtig in Fahrt. Simon war in seinem früheren Leben einige Jahre Breakdeancer und die Bewegungen hat er noch drauf. Simon legt spontan eine Breakdance-Nummer hin, es hält keinen mehr auf den Stühlen. Es ist schon fast 1.00 Uhr nachts, morgen ist Werktag. Zum Abschluss holt Simon noch die Frau vom Restaurantchef zum Tanz auf die Bühne. der Laden kocht!
Danke euch für diese tolle Vorstellung! „Verrückte Deutsche“ werden die Chinesen sagen, aber schön! Toll, dass so eine Fahrt auch Qualitäten ans Licht bringt, die uns sonst verborgen geblieben wären. Und wir haben den Chinesen bestimmt viel Freude bereitet.
Morgen ist unser letzter Tag in Zhongzhan – und einer von uns heiratet fast…