Es ist 6.00 Uhr in der Frühe, wir sind gerade in Chengdu gelandet. Ich rufe Suwen an, dass wir gut gelandet sind. 23° C, bewölkt, aber kein Regen. Die Abfertigung läuft glatt. Unter Flugzeug wird allein abgefertigt, Passkontrolle und Zoll dauern jeweils nur wenige Minuten.
Suwen begrüßt uns schon am Ausgang, ebenso eine chinesische Frau von der Sportschule, die sich um uns kümmert. Wir sind erschöpft nach der langen Reise und neugierig auf das – den meisten von uns – unbekannte Land. Wir gehen ein kurzes Stück zu einem Bus. Philipp und Patrick machen sich um die Gruppe verdient, hieven die schweren Gepäckstücke in den Bus. Wir fahren los.
Das erste, was uns auffällt, sind die großen Bauten. Hohe Gebäude rage wie kleine Wohntürme in den Himmel. Es sieht nicht aus wie eine große Stadt, immer abwechselnd mal Kreuzungen, dann riesige Wohnanlagen am Straßenrand, dann wieder grüne Landschaft. Der Verkehr ist flüssig. Viele Motorradfahrer sind unterwegs, und kaum einer hat einen Helm auf, für uns ein ganz ungewohnter Anblick.
Wir fahren vor die Sportschule, ein großer Gebäudekomplex. Einzelne Kinder eilen an uns vorbei, sie sind auf dem Weg zur Schule. Auf einer Seite des Gebäudes befindet sich ein fünfstöckiger Hotel-Teil, auf der anderen Seite sind die Hallen, alles direkt nebeneinander. Wir verteilen uns auf die Zimmer. Es sind alles 2-Bett-Zimmer mit Bad/WC, Fernseher und Klimaanlage. Hannes und ich haben Einzelzimmer. Suwen hat mit ihren Kindern auch zwei Zimmer. Später erfahren wir, dass hier drei große Hallen stehen, mit insgesamt ca. 80 Tischen. Wenn wir so eine Anlage in Hamburg hätte, wäre es wohl das größte Trainingszentrum in Deutschland.
Die Ansage lautet: Kurz Gepäck hinstellen, dann zum Frühstück. Michel weiß um die typisch harten Betten in China, macht Malte gleichwohl Hoffnungen und sagt zu ihm: „Endlich ein weiches Bett“. Erfolgreich – Malte lässt sich zu einem Hechtsprung auf das angeblich weiche Bett hinreißen und landet buchstäblich auf der Nase und hat ein rotes Gesicht. Jetzt wissen wir alle – Betten in China sind immer hart (und das hätten auch alle wissen können, die die letzten China-Berichte gelesen hätten).
Wir werden in einen Essensraum geführt, mit einem großen runden Tisch, ca. 15 Stühle drum herum. Es stehen Spiegeleiger, Rührei, gebratener Speck, Toastbrot und kleine Muffins dort, dazu nach Marmelade nur zwei Teller mit typisch chinesischen Speisen. Wir sind erstaunt, ein so kontinental geprägtes Frühstück zu sehen, Suwen auch. Die Erklärung: Beim Besuch der letzten DTTB-Delegation hätten die Teilnehmer nur diese Sachen gegessen und alles andere stehen gelassen. Wir finden das nicht so gut, für den nächsten Tag haben wir normales chinesisches Frühstück geordert.
Wir sind kaputt. Die erste Trainingseinheit ist für 16.00 Uhr angesetzt. Wie schön! Dann geht es erst mal ab ins Bett, schlafen bis zum nächsten Essen.
Zweieinhalb Stunden Schlaf sind nicht wirklich erholsam. Ich stehe um 12.15 Uhr auf, wecke die anderen. Kurz danach sitzen wir in unsere Stamm-Esszimmer. Diesmal ist wirklich chinesisch angerichtet, verschiedene Gemüse, Fleisch. Viele bunte Platten stehen auf dem runden Drehtisch, der sich angetrieben langsam weiter bewegt. Ein jungen europäischer Mann betritt unseren Essraum und geht wie selbstverständlich zum Buffet schaut sich um und setzt sich auf den einzig freien Platz neben mir. Ich frage ihn in Englisch, wer er ist. Er heißt Lee, antwortet er zu meiner Überraschung in Englisch, kommt aus England und ist hier fürs Training da. Er hat seinen Job in England aufgegeben um drei Monate nach China zu reisen. Und da er begeisterter TT-Spieler ist, ist er jetzt für einige Zeit hier. Er scheint in einer anderen Trainingsgruppe mitzuspielen, jedenfalls sehe ich ihn an diesem Tag nicht bei unseren Trainings. Suwen besorgt uns noch eine erste Notration Wasser. Ein Liter, mal sehen, wie weit wir damit kommen.
Trainingsbeginn ist auf 16.00 Uhr angesetzt. Wir haben nochmals drei Stunden Zeit zum Schlafen – ungewöhnliche Taktung. Wir treffen uns um 15.45 Uhr in der Lobby. Wir sind nicht pünktlich – Anfängerfehler. Der eine vergisst seine Zimmerkarte, der andere die Zeit. In der Halle haben die Chinesen schon Aufstellung genommen, um den Ansprache des Cheftrainers zu lauschen. Wir schließen uns an, sind auch vollständig. Der Cheftrainer hat 15 Jahre in Frankreich gearbeitet, kann also gut Französisch, nur leider kaum ein Wort Englisch. Und meine Französisch-Kenntnisse sind erstens 35 Jahre alt und zweitens schon damals mit 5+ bewertet worden.
Das Einlaufen kenne ich schon, es läuft fast genauso ab wie auf unserer letzten Reise. Für die Teilnehmer ist es neu. Relativ kurzes Einlaufen, der Stärkste der Gruppe läuft vor, macht einige Übungen dabei. Dann zwei Minuten Dehnübungen, der Ansager zählt dabei im Takt von eins bis acht. Dann geht es an die Tische. Jedem von uns wird ein Chinese zugeordnet. Ich spiele nicht mit, bin mit allmöglichen Organisationsaufgaben beschäftigt oder mache Fotos.
Die Chinesen sind so zwischen 11 und 21 Jahre alt, überwiegend Jungen. Viele Kombinationen sind dabei, Angriff, mehrere Abwehr-Mädchen, Noppen, Penholder. Wir starten. Er herrscht Trainingsatmosphäre, kein in Deutschland gewohntes Reden und langsames Sortieren, es geht ran und denn ist zumindest von uns volle Konzentration gefordert. Klassische Übungen, meistens so, dass es Spieler immer mit Rückhand spielt, der andere ist aktiv. Und viel Beinarbeit dabei oder freies Zuspiel, das sofort zur Beinarbeit zwingt.
Wir sind natürlich schnell nass. Es sind gefühlt ca. 27°C in der Halle, sehr helle Scheinwerfer über jedem Tisch erzeugen gutes Licht und sicher auch Wärme. Ich schwitze schon vom Zuschauen. Am Ende gibt es noch zwei Sätze Trainingsspielchen. Tatsächlich gewinnen einige von uns, Nils gewinnt einen Satz, Patrick Blau gewinnt beide Sätze. Nur Patrick Masur tanzt aus der Reihe, er spielt drei Sätze und nimmt einen 2:1-Erfolg nach Hause. Der Cheftrainer gibt uns zur Entschädigung eine Runde Wasser aus.
Um 18.00 Uhr ist Schluss. Alle wollen danach nur schnell unter die Dusche. Das Problem ist, dass um 19.00 Uhr das Abendtraining beginnt. Und dazwischen noch Abendessen vorgesehen ist. Das ist natürlich nicht optimal, mit halbvollem Bauch gleich wieder weiter zu spielen. Den Chinesen scheint es nichts auszumachen. Sie schwitzen nur wenig, und nutzen die Zeit gleich zum Ausruhen.
Das zweite Training geht von 19.00-20.30 Uhr. Hannes ist nicht mit dabei, wollte wie angekündigt nur eine Einheit täglich mitmachen und schaut dafür zu. Louis, Suwens 5-jähriger Sohn, nimmt Hannes in Beschlag als willkommener Spielpartner für denn Abend. Die anderen machen Aufschläge mit Riesenballschalen, nur Aufschlag-Rückschlag. Dann Umsetzübung mit Vorhand-Topspin. Dann ist Schluss für heute. Alle sind relativ fertig, wollen nur duschen und dann ausruhen.
Wir machen am Abend noch eine kleine Besprechung, überfallen Leo und Michael ihrem Zimmer. Eigentlich haben heute alle ganz gut durchgehalten. Gesundheitliche Beschwerden gab es wenig. Vielleicht einige Blasen, die sich ankündigen. PatrickM hat leichte Beschwerden im Knie bei weit erlaufenen VH-TS-Schlägen. So ganz dominant erschienen unsere Gegner nicht zu sein. Für morgen ist ein kleines Turnier angekündigt, Wettkämpfe. Das ist gut, lernen wir doch gleich die Chinesen mit ihren Aufschlägen kennen. Die Chinesen fragen, ob wir um 10 Yuan spielen wollen, pro Spiel. Das hätten sie wohl kennen gelernt bei einem Training mit einem DTTB-Kader und fanden das wohl ganz lustig. Für die Chinesen nicht unüblich, meint Suwen, zur Erhöhung der Motivation. Aber wir können uns damit nicht so recht anfreunden, wollen den armen Chinesen auch kein Geld abnehmen und lehnen ab.
Morgen ist Training für 8.40 Uhr angesetzt. Es soll eine Kontrolle geben von den Ober-Bossen der Trainer. Da geben wir wohl eine gute Komparsenrolle ab.
Nach der Besprechung geht jeder schnell auf sein Zimmer. Wir freuen uns auf das Schlafen und die erste richtige Nacht. Ich sehe zu, dass ich meine erste Tagesmail absetze. Das W-Lan hier ist nicht stabil, aber mit Suwens chinesischer SIM-Karte geht es.
Und morgen erfahrt ihr, wer von uns beim Vergleichswettkampf gewonnen hat und welche Eindrücke wir bei unserem ersten Ausgang hatten!