Erster Turniertag

Von 2. September 2011 Allgemein, China, China 2011 Keine Kommentare

5.30 Uhr, der Wecker klingelt. Draußen ist es noch stockdunkel. Im Wohnblock gegenüber meines Hotelzimmers ist nur eine von 18 Wohnungen erleuchtet. Um 6.00 Uhr steht der Bus vor dem Hotel und fährt uns zum Restaurant. Unsere Aktiven sind fast alle fit, nur Tobi hat noch Rückenschmerzen.

Es ist noch menschenleer Die Klimaanlage ist noch nicht in Betrieb, auf einem runden Tisch liegen Tüten mit Sojamilch, Milchbrötchen und süßem Kleingebäck. Simon freut sich, als Veganer trinkt er gern Sojamilch. Wir stören wohl eine ca. 4 cm lange Riesenkakerlake, die auf dem Boden noch ihre letzten Runden dreht. Wir essen zu Ende. Die Kakerlake versucht ausgerechnet mein Bein zu entern. Ich schüttele sie weg, sie verschwindet für den Tag hinter die Wandfassade. In Deutschland hätten wir uns wohl mächtig aufgeregt.

Wir fahren 30 Min in einen Vorort. Alle sind bereits im Sportdress. Vor der Halle sind chinesische Trommler, die eine Zeremonie mit Drachenverkleidung durchführen. Die Pauke macht einen ohrenbetäubenden Lärm. Die Halle hat Platz für ca. tausend Zuschauer, nur leider sind gar keine Zuschauer da. Einschließlich der Nebenhalle sind 21 Tische aufgebaut. Kaum ein Tisch wird zum Einspielen benutzt. An dieser Tag ist der Mannschaftswettbewerb. 32 Delegationen sind da, jeweils mit fünf bis zwölf Teilnehmern. Es wirkt etwas bunt, semi-sportiv, Jung und Alt sind dabei, Frauen und Männer.

Wir schauen in das Programm, sehen nur chinesische Zeichen, dazwischen zwei Mal den Namen von Tobi, je einmal von Simon und Janni. Wo stehen Marci und Thorben? Suwen sagt, es gibt Probleme mit der Meldung.

Wir stellen uns in Reihe und nach Größe geordnet mit den anderen Delegationen vor der Ehrentribüne auf, warten. Blumenschmuck wird aufgefahren. Nach zehn Minuten setzen sich rund 24 Personen auf die Ehrentribüne. Ein Sprecher eröffnet mit lauter, anfeuernder Stimme, stellt erst mal alle 24 Offiziellen vor, die sich einzeln erheben und verbeugen. Dann verlesen rund sechs Offizielle lange Reden vom Blatt, alle laut und engagiert. Die Ordnung der anderen Delegationen wird langsam lockerer, einige telefonieren oder sind abgelenkt. Nach 30 Minuten Stehparade wird dann endgültig eröffnet und wir dürfen abtreten.

Zwei von Friendship gesponsorte Damen-Nationalspielerinnen machen einen Mini-Schaukampf. Der älteste Spieler der Halle wird zu einem Satz eingeladen, spielt begeistert und ohne Chance gegen eine Dame. Jan Niklas wird auch aufgefordert zu spielen gegen die andere Dame, spielt vor aller Augen. Wir sind die einzigen Ausländer weit und breit und damit eine kleine Sensation. Bei 1:6 wird der Kurzsatz beendet, Janni bekommt noch einen signierten Belag geschenkt. Das war wohl für heute der einzige Einsatz für Janni.

Suwen meint, dass heute im Mannschaftswettbewerb nur Tobias sicher mit dabei ist, zusammen mit zwei Chinesen aus unserer Sportschule. Es sei nur ein Ausländer pro Team zugelassen. In unserem Team2 spielen nur Chinesen. Dann ist es raus, unsere anderen vier Aktiven bekommen heute keinen Einsatz. Wir sind verwirrt, haben keine rechte Erklärung dafür.

Morgen sind die Einzelwettkämpfe, und wie es aussieht, stehen Marci und Thorben nicht auf der Starterliste. Suwen spricht mit dem Friendship-Boss, ich bin dabei als sie 15 Minuten mit dem Oberschiedsrichter diskutiert wegen einer Nachmeldung von Marci und Thorben. Aber er lässt keine Nachmeldung mehr zu, bis gestern wäre es noch möglich gewesen, meint Suwen. Damit ist klar, die beiden können überhaupt nicht starten. Sch….!

Tobias beginnt, hat sich kaum eingespielt. Einspielen scheint hier nicht üblich zu sein. Die Veranstaltung hat Ähnlichkeit mit unserer BCDE-Meisterschaft. Es gibt verschiedene Spielklassen. Unsere beiden Teams starten in der A-Klasse, in der insgesamt sechs Teams antreten. Zuerst kommt das interne Duell. Tobi tritt gegen den stärksten Chinesen aus der Sportschule an, den „Bomber“, beide kennen sich vom Training. Der Bomber ist mental schwach. Tobi gewinnt, erster Sieg. Auch sein zweites Spiel gewinnt Tobi, er ist mit seinem Team erfolgreich. Gegen Mittag lassen wir Tobias mit dem chinesischen Spielern allein, reisen mit unseren Spielern etwas enttäuscht zurück zur Sportschule – wir sind ja leider arbeitslos an diesem Tag.

Mittagessen, wir setzen in einer hitzigen Diskussion unsere philosophischen Themen fort. Öffnet sich China dem Westen oder nicht? Und was sollte die chinesischen Führung anders machen?

Direkt danach trainieren wir noch untereinander. Es ist heiß, unsere Spieler spielen mit freiem Oberkörper. Ein Spieler hat ein dringendes Bedürfnis, fragt nach Klopapier. Die Örtlichkeiten in chinesischen Flughäfen, Hallen oder Gaststätten sind einfach, aber meist halbwegs sauber. Aber es sind nur Stehklos da, meist ohne Klopapier. wie man es vielleicht noch von ländlichen Gegenden Spaniens oder Griechenlands kennt. Mit etwas Übung kann man sein Geschäft auch hier verrichten. Bezeichnenderweise habe ich in China nur ein einziges Sitzklo gesehen – das Behindertenklo.

Nachmittags kommen die Turnierspieler zurück, Tobi mit den Chinesen. Tobi hat noch 1:2 gespielt, damit insgesamt 3:2. Das Team hat damit den dritten Platz belegt von sechs Teams in dieser Klasse. Zurück zum Hotel. Wir machen einen Ausflug zum Supermarkt, kaufen Kekse, Chips oder Nescafe in Dosen. Das Angebot ist gut und günstig. Simon zieht eine 10-€-Massage vor.

Abends fahren wir mit Suwen zum Essen ins Lokal. Die Meldeprobleme sind Mr. Luo peinlich, meint Suwen. Er hatte Gerüchten geglaubt, unsere Spieler seien zu schwach. Er hat uns daraufhin zum Meldetermin nicht alle gemeldet. Am ersten Tag hätte er gesehen, dass wir doch stark sind, aber irgendwie hat sich die Situation nicht geändert. Schon merkwürdig, Mr. Luos Informationsquelle, eine Hamburger Spielerin (Name ist der Redaktion bekannt), scheint uns keinen guten Dienst erwiesen zu haben. Und schade für Marci und Thorben, beide hätten so gern gespielt. Aber wenn wir von Anfang an nur Training geplant hätten, wären wir wohl auch nach China gefahren.

Mr. Luo ist ein Phänomen, erzählt Suwen. Morgens ab halb eins kauft er auf dem Großmarkt ein bis um sechs. Um zehn stellt er sich in die TT-Halle, kocht mittags, Mittagsschlaf, wieder zurück in die TT-Halle, abends wieder in Küche, danach wieder Tischtennis. Dann schläft er 1-2 Stunden. Und das seit 20 Jahren. Seit fünf Jahren hat er in Tischtennis investiert, hat auf seinem Gelände mehrere Hallen hochgezogen. Bis zum nächsten Jahr will er einen weiteren Trakt anbauen, in dem auch Europäer übernachten können – für unseren nächsten Besuch…

Die Unterkünfte der chinesischen Spieler wären nicht geeignet für uns. Diese würden in Deutschland allein schon gegen die EU-Legehennenverordnung verstoßen: 6-12 Jugendliche in einem kleinen mit Vorhängen abgezogenen Raum, Stockbetten mit harten Brettern als Schlafstatt, nicht viel mehr als eine dünne Bastmatte als Schlafunterlage. Ein Tisch, keinen richtigen Schrank, die wenigen Habseligkeiten liegen auf den Betten. Die Spieler kleben ihre Beläge im Zimmer, am Ende des Ganges ist ein kleiner Dusch- und Toilettentrakt, eine Waschmaschine und Wäscheleinen, ein Fernsehraum, das wars.

Wir lassen den Abend bald ausklingen. Morgen müssen wir um 6.30 Uhr aufstehen.

Und morgen erfahrt ihr, wie man ohne Satzgewinn in die Hauptrunde weiter kommen kann.

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