Ich bin morgens noch nicht raus aus dem Zimmer, das höre ich eine Beschwerde. Suwen berichtet, sie ist nachts um halb Eins vom Hotelpersonal rausgeklingelt worden. Unsere Jungen werfen seit mehreren Tagen Lebensmittel aus dem Fenster auf die Straße. Ich bin sauer, ärgerlich, dass wir mit so einer Sache dumm auffallen. Später erfahre ich, dass auch Maharth deswegen bereits von Passanten angesprochen wurde.
Bis Trainingsbeginn habe ich mit allen gesprochen. Mahamm war nicht beteiligt, er ist ja in einem anderen Zimmer mit Lutz. Die anderen vier zeigen sich ertappt und beichten. Es kommt noch ein Rumschmeißen mit geplatzten Milchtüten im Hotelzimmer heraus. Alle vier waren im Laufe der letzten Tage beteiligt, alle sind geständig. Unangenehm nur, dass Suwen dazwischen hängt. Alle vier entschuldigen sich spontan bei Suwen, ich hoffe, das gefühlte Peinlichkeitserlebnis liegt bei 100%.
Das Training ist ok. André war mit einer leichten Halsstarre aufgewacht, konnte seinen Kopf nicht drehen. Jetzt scheint es aber besser zu gehen. Zwischendurch nimmt er seine „ich kann nicht spielen“-Phase – dabei könnte er so gut sein. Michel ärgert sich über seinen unsicheren Vorhand-Konter, übt ihn aber. Ich bin sicher, bis Punktspielbeginn bekommen wir dies hin. Stefan und Mahamm arbeiten ordentlich, leiden an ihrem hohen Gewicht. Vielleicht bringt das Training hier Impulse für eine gesündere Ernährung zu Hause, mit weniger Fast-food, Cola und Chips. Florin trainiert mit wachsender Begeisterung das Spiel mit seiner linken Hand und beeindruckt uns damit. Fünf Punkte Vorgabe sind nicht mehr drin für ihn. Am Ende gab es noch ein kleines Straftraining für unsere übermütigen Jugendlichen.
Am Nachmittag gehen wir auf einen typisch chinesischen Markt, endlos lang an Markständen vorbei. Wir kaufen Andenken und natürlich Textilien. Es ist zum Teil sehr günstig, bei 20 Cent pro Sockenpaar mit Puma-Aufdruck können unsere Jugendlichen am 5-er-Pack nicht vorbeigehen. Ich habe noch nie so viele Jungen gesehen, die so begeistert Socken kaufen.
Abends werden wir vom Besitzer der Halle zum Essen eingeladen, die drei wichtigsten Trainer waren dabei, ebenso unser Sicherheitsoffizier. Es herrscht eine sehr nette Atmosphäre. Unsere Gastgeber haben europafreundliche Speisen geordert, nicht scharf und unkompliziert, mir schmeckt alles ziemlich gut.
Bei einer Rangelei zwischen Mahamm und dem kleinen Sohn von Mr. Chen verletzt dieser sich, auch eine völlig unnötige Aktion. Jetzt haben es alle Jungen geschafft, sich daneben zu benehmen! Es gleitet heute ab in Klassenreisen-Verhalten.
Auch abends lässt die Sache kaum nach, noch immer werden einige im Team mit nächtlichem Klingeln oder Anrufen beglückt. Ich bleibe davon verschont.
Ich stelle fest, dass unsere Jungen nicht richtig belastet sind. Die Trainingseinheiten sind nicht immer klar strukturiert, wechseln etwas beliebig zwischen Ballkiste, 1:1-Training, Wettkämpfen und Pausen. Und darauf reagieren unsere Jugendlichen. Während des Trainings sind einige manchmal nicht voll dabei oder geben sich zu schnell auf, sind dafür in den Pausen aktiv. Ein Konditions- oder Krafttraining fehlt fast, insofern auch der abendliche Müdigkeitsfaktor. Vielleicht haben die Trainer gesehen, dass die Kondition unserer Jungen nicht so doll ist, Jenni hebt sich da eindeutig ab.
Ich beklage mich am Abend über diese Streiche, kenne aber natürlich dieses Phänomen am Ende von Reisen. Beides wohl ein Ritual.
Morgen ist unser letzter Tag hier in Guiyang. Und die Hälfte des Tages werden wir im Schlafanzug verbringen.