Frühstück im Hinterhoflokal. Mathias Harth und Tobias erleben eine harte Nacht, einige sturzbetrunkene Chinesen feiern wohl das Wochenende und machen Stimmung. Und auch nachts endet das Hupen in den Straßen nicht. Wir fahren mit 3-Tage-Gepäck in unsere 3-Tisch-Halle, d.h. Balleimer-Training. Es ist Sonntag früh und die Straßen sind voll wie jeden Tag.
Wir erleben eine sehr effektive Trainingseinheit, Mr. Chen gibt viele Tipps, ich höre aufmerksam zu und mache von den Jugendlichen Videoaufnahmen, die wir analysieren. Schwerpunkt Eröffnung, sehr konzentriert. Mittagessen in der Halle, nebenbei gibt es wieder Obst.
Nachmittags fahren wir ins Gebirge, in die Stadt Fuquan, 90 min Busfahrt. An der Autobahn stehen Verkäufer, die mit Schlangen winken. Es gibt an der Stadtgrenze wieder eine Eskorte auf kleiner Flamme, zwei Limousinen fahren vor uns her mir eingeschaltetem Warnblinker. Wer hier mit Warnblinker fährt ist wichtig.
Wir halten vor dem besten Hotel der Stadt, am Stadtrand. Polizeistation und Halle sind gegenüber. Wir checken das fünfte Mal in dieser Reise ein. Die Zimmer sind geräumig, ich bekomme sogar eine 2-Zimmer-Suite. Stefan kommt aus dem Zimmer und meint „Wir haben zwei große Steine im Zimmer“, gemeint sind die Betten, die hier besonders hart wirken. André läuft begeistert und gestikulierend mit seiner Toilettensitz-Kombination durch die Flure. Ich schlage ihm vor, wenn er sich nicht auf einen losen Sitz setzen will, dann kann er sich gern aufs Porzellan setzen. Ich denke, er wird sich für den losen Sitz entscheiden. Und die Jungen ertappen sich dabei, den Luxus für selbstverständlich zu nehmen.
Abendessen zusammen mit Gegnern und Organisatoren, normales chinesisches Hotelbuffet, würde ich sagen, nichts Offizielles.
Wir sammeln uns vor dem Hotel zum kurzen Fußmarsch zur Halle. Plötzlich werden wir von einem Europäer angesprochen. „Was führt euch denn in dieses Nest“, meint der Fremde in bestem Deutsch. Wir unterhalten uns angeregt, er ist Mechaniker aus Solingen auf mehrwöchiger Montage in Fuquan und wohnt auch im Hotel. Man ist sichtlich erfreut, einen Deutschen zu sehen. Fern der Heimat verbindet die Herkunft auf einmal. Suwen meint, in Deutschland wären wir nie ins Gespräch gekommen, hier sind wir sofort beste Freunde – recht hat sie. Wir werben für unser TT-Spiel, um den Fanblock zu erweitern, der Deutsche will kommen.
Wir gehen in die Halle und sind ein weiteres Mal überwältigt. Es wird Eintritt erhoben, die meisten haben Karten über ihre Arbeitgeber bekommen. Es dröhnt laute Musik aus den Lautsprechern. Wir laufen ohne weiteres durch die Kontrolle, drinnen sitzen rund 400 Zuschauer, 3 Tische, hohe Tribünen auf drei Seiten, an der vierten Seite ist nur eine hochgelegte Sitzreihe, eine Art Ehrentribüne. Wir spielen uns ein, treten wieder in unseren einheitlichen China-Hemden an. Zu Spielbeginn sind rund 1200 Zuschauer in der Halle, einen Fanblock haben wir noch nicht ausmachen können.
Zur Eröffnung nehmen die Offiziellen die Plätze auf der Ehrentribüne ein. Ein Platz in der Mitte ist frei. Ich werde plötzlich dort hinbugsiert und sitze 3 Meter über der Hallenebene. Mr. Chen sagt, ich muss heute Abend oben sitzen. Ich bin enttäuscht, dass ich nicht an der Bande coachen kann. Als unser Team mich oben sieht, lachen sich alle fast schlapp. Bei dem Gedanken, dass sich unser Team gleich vor der Tribüne verbeugen wird, kann ich mir auch ein Lachen kaum verkneifen. Die Bürgermeisterin sitzt mit ernster Mine neben mir, geht zum Mikro und hält eine lange Ansprache. Danach werde ich aufgefordert aufzustehen und man geleitet mich Gott sei Dank am Mikro vorbei zum obligatorischen Fototermin. Der Austausch vom Wimpeln entfällt, unsere Gegner haben keinen dabei. Ebenfalls entfällt die namentliche Vorstellung der Aktiven. Es gibt also keine Verbeugung, dafür darf ich aber auch wieder zum Team – guter Tausch.
Wir tun uns wieder schwer. Aber das Publikum ist sehr fair, klatscht auch für uns Beifall. Jung und alt, alle sind dabei. Mindestens zwanzig Polizisten sind in der Halle und sorgen dafür, dass die Zuschauer beim rein- und rausgehen uns nicht zu nahe kommen. Ich glaube, es besteht eine echtes Bedürfnis unserer Gastgeber, uns vor jeder denkbar möglichen Gefahrensituation zu schützen. Dennoch – die Stimmung in der Halle ist toll. Wir entdecken den Deutschen in der Halle. Kein Fanblock, na ja, immerhin ein Fanplatz. Jenni darf im Team1 starten, das Team spielt 2:7, Lutz und Tobi holen ein Spiel, Lutz Gegner feuert nach seiner Niederlage seinen Schläger durch die halbe Halle. Team2 spielt 1:8, den Ehrenpunkt holt Thomas. Team3 ist am erfolgreichsten, Michel holt zwei Punkte und wird Tagessieger, André gewinnt ein Spiel. Ich gebe später in der allabendlichen Mannschaftsbesprechung mit den Jungen beiden für ihre Spiele das seltene Prädikat „Wachstumsspiel“. Florin macht ein Spiel außer Konkurrenz, der Arm schmerzt. Heute fängt sich ein Chinese eine gelbe Karte ein, ebenfalls wegen Handtuchpause bei 10:10 im Entscheidungssatz.
Wir gehen zum Hotel zurück und legen uns auf unsere Steine. Das Team ist unverändert hoch motiviert im Training und lernt viel aus den Wettkämpfen, auch wenn unsere Rückschlagschwäche frustrierend ist.
Und morgen erfahrt ihr von unserer neuen Geschäftsidee, unserem Besuch in Miajiang und unserem China-Lied.