Wasserspiele und Streit im Hotel

Heute unternehmen wir einen Ganztagesausflug, zunächst nach Huangguoshu. Dort liegt der größte Wasserfall Chinas, zugleich der drittgrößte Wasserfall der Welt.

Der Besuch läuft unter Privatvergnügen. Aber unser Sicherheitsoffizier ist dabei und winkt uns zur Begrüßung freundlich vom bereitstehenden Bus zu. Die Hinfahrt dauert zwei Stunden, die Autobahn ist leer. Wir haben keine Eskorte. Der Fahrer fährt sehr zivil.

Wir fahren durch eine sehr merkwürdige Hügellandschaft, die ich so noch nie gesehen habe. Manchmal stehen alle 500 Meter Hügel im Durchmesser von 50-150 Meter und ähnlicher Höhe, sehr steil, als hätte ein überdimensionaler Bagger eine Fuhre Sand aufgeschüttet. Die felsgrundigen Hügel sind unbewohnt und vollständig mit grünen Sträuchern bewachsen. Ich frage mich, wie so eine Landschaft geologisch entstehen kann. Und was nicht Hügel ist, ist in jedem Winkel mit Landwirtschaft bebaut. Die Ebenen sind auch ganz grün, trotz der hohen Temperaturen. Grün wohin man schaut.

Am Ziel angekommen merken wir, dass es eine wirklich große Sehenswürdigkeit sein muss. Zahlreiche Busse lassen chinesische Touristen aussteigen. Schilder sind hier immer zweisprachig, chinesisch und englisch, so oft wie nirgends sonst auf unserer Reise.

Wir starten mit einem Treppenweg durch einen Bonsaigarten, lautes Zirpen von Insekten begrüßt uns, danach ein Abschnitt mit ungewöhnlich geformten Steinen. Die Treppen sind deutlich neuer als die der chinesischen Mauer, die Stufen sind sehr gleichmäßig. Je näher wir dem Wasserfall kommen, desto feuchter wird es. Warmer Wassernebel schlägt uns entgegen, angenehm bei ca. 35 Grad im Schatten.

Einige von uns kaufen sich dünne Plastikumhänge für 20 Cent, ich auch, zum Schutz meiner Kamera. Die meisten Touristen, jung und alt, verzichten darauf. Wir laufen auf der Innenseite unter dem Wasserfall hindurch, meistens in einem Höhlengang, der alle 10 Meter einen Ausblick auf die über uns herabstürzenden Fluten ermöglicht. Ich hatte es mir schlimmer und feuchter vorgestellt, interessant war es aber allemal. Wir gehen weiter zum Haupteingang, Thomas, Jenni und ich bevorzugen die Rolltreppe. Zum ersten Mal in meinem Leben bezahle ich für eine Rolltreppennutzung, und gleich 3 Euro, viel für chinesische Verhältnisse. Maharth löscht versehentlich seine Videos, er ist wohl an eine falsche Taste gekommen. Sehr ärgerlich. Meine Kamera zeigt auch leichte Ausfallerscheinungen, vielleicht wegen des feinen Wassernebels. Ich freue mich, dass Thomas meine Daten auf seinem Laptop gesichert hat.

Wir sind etwas im zeitlichen Verzug. Wir fahren ein paar Minuten zum Mittagessen. André bestellt noch ein Gericht nach, weiterer Verzug. Suwen ist ungehalten, wir benehmen uns offenbar nicht wie erwartet. Wir fahren weiter Richtung Guiyang, machen auf halben Weg Station in Quinzhen. Quinzhen liegt total idyllisch an einem großen See mit kleinen Inseln. Wir halten an einem großen Gebäudekomplex direkt am Wasser, mit Treppe zum Bootssteg, an dem verschiedene Wassersportboote festmachen.

Hier war die frühere langjährige Trainingsstätte von Suwen. Heute wird hier kein TT mehr gespielt, es ist wohl eine Erholungsanlage für verdiente Parteimitglieder und hohe Beamte aus Peking. Wir sehen außer dem Personal am Wasser kaum Menschen dort. Aber die Lage ist einmalig.

Wir gehen zum Bootssteg und spontan zieht es uns in die Boote. Einige gehen aufs Tretboot. Es sind 2-er-Boote mit einem katamaranähnlichen Rumpf, beide Fahrer sitzen nebeneinander. Tobi und Stefan sind so schwer, sie schaffen es fast, das Boot mit der Nase in den Himmel rücklings zum Kentern zu bringen. Sieht sehr witzig aus! Michel landet an einer kleinen Insel an, legt sich dort mit einem Felsblock an, der Felsblock gewinnt, Michel behält einen blauen Fleck am Knie als Andenken.

Dann gibt es eine Runde Motorboot für jeden, der Fahrer macht dynamische Kurven und wir lassen uns die Sommerbrise um die Nase ziehen und genießen einfach nur – für mich der erholsamste Moment an diesem Tag. Dem Personal scheint die Abwechslung auch willkommen zu sein.

Dann wollen die Jugendlichen gern noch paddeln. Es gibt Einer- und Zweierboote. Stefan ist als erster draußen, plötzlich Schreie vom Wasser: „Ich sinke!“. Und tatsächlich, die Bordhöhe liegt bedenklich knapp über der ruhigen Wasserlinie. Hektisches Paddeln von Stefan, er sieht zu, dass er zum Steg kommt. Im letzten Moment schafft er es und steigt aus seiner gefüllten Badewanne aus. Tobi, Michel und André ergeht es nicht viel besser, alle drei haben am Ende die Hosen voll – voller Wasser. Naja, wer aufs Wasser geht, sollte immer ein paar trockene Sachen in der Nähe haben. Ich helfe wieder mit zwei Hosen aus. Jenni fährt außer Sichtweite, Papa Thomas ist sauer. Dafür kommt sie aber trocken und wohlbehalten zurück.

Es gibt Abendessen auf der Anlage, recht festlich. Mr. Cai hat eingeladen, er ist der frühere Trainer von Suwen, heute Generaldirektor der Sportverwaltung der Provinz Guizhou und Mitglied des chinesischen olympischen Komitees, ein ranghoher vielbeschäftigter Sportfunktionär, der für uns seinen Sonntag Abend geopfert hat. Wir fühlen uns geehrt. Er hat bereits Kontakte zur Sporthochschule Köln in Bezug auf Wassersportarten, die hier hauptsächlich betrieben werden. Hamburg ist ja auch stark in Wassersportarten, vielleicht könnte sich hier eine Kooperation entwickeln.

Rückweg nach Guiyang. Der Fahrer nimmt eine Abkürzung über eine gesperrte Straße. Die Sperrung ist am Anfang und Ende durch zwei eng beieinander stehende Betonquader in Schrankgröße gekennzeichnet. Unser Bus zwängt sich zweimal in Millimeterarbeit hindurch, wir applaudieren wie nach der Landung im Malle-Flieger. Chinesische Fahrer müssen ein angeborenes Raumgefühl für die Ausmaße ihrer Fahrzeuge haben. Ich mache mit Suwen grobe Pläne für die nächste Zeit, Training und China2010. Vielleicht ist in einem Jahr eine weitere Reise drin. Suwen hätte wohl Lust, und ich auch. Einige wollen am Abend noch trainieren, aber die 3-Tisch-Halle ist heute nicht verfügbar. Macht nichts, wir machen uns einen ruhigen Abend und bereiten uns auf den morgigen Trainingstag vor.

Dachten wir – plötzlich ist action in der Hotelhalle. Es wird laut geschrien. Ich komme gerade vom Supermarkt, wundere mich über den Menschenauflauf vor dem Eingang und drücke mich an zwei mir unbekannten Personen vorbei, einer Frau im Kleid und einem Mann mit Aktentasche mit der Aura eines Bürohengstes. Auf der Innentreppe steht die Hälfte unseres Teams. Einige Hotelangestellte schauen auch interessiert zu. Die beiden Akteure schauen aneinander vorbei, ratlos, nicht wissend wie sie die Situation lösen können. Im Abstand von zwei Minuten schreit sie ihn an, gestikulierend, mir hoher Stimme. Er sagt wenig, steht verlegen in der Halle. So geht es für 10 Min weiter, mit leichten Handgreiflichkeiten. Wir wissen nicht, ist dies ein bestellter Fake oder eine echte Situation. Wir tippen auf großen Ehekrach. Nach 10 Min fordert das Personal beide auf, ihren Streit draußen fortzusetzen. Später sagt uns Suwen, dass beide verheiratet sind, er ist im Hotel mit einer anderen Frau verschwunden, sie hat ihm nachspioniert und beide inflagranti erwischt. Und wir merken, dass auch Chinesen gern bei anderer Leute Streit zuschauen.

Morgen wird weiter trainiert, wir wollen jetzt jede Trainingsmöglichkeit nutzen.

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